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Stress ist in unserem Leben allgegenwärtig. In Maßen trägt er dazu bei, dem Leben eine gewisse Spannung zu verleihen und Höchstleistungen zu erbringen. Auf Dauer macht er allerdings krank. Denn lang andauernder Stress ohne Bewältigungsmöglichkeiten führt zu chronischer Belastung, Hilflosigkeit und gesundheitlichen Beeinträchtigungen. Um mit Stress optimal umzugehen, bedarf es eines guten Stressmanagements, welches die eigene Leistungsfähigkeit steigert und dabei hilft, die persönliche Energie gezielt einzusetzen. Frau Dr. Claudia Robben hat langjährige Berufserfahrung als Coach und bietet Führungskräften u. a. Stressmanagement-Trainings an. Im Interview erzählt sie, warum ein gutes Stressmanagement so wichtig ist und was dieses alles umfasst.

Stress scheint in unserer hektischen Zeit allgegenwärtig zu sein. Meinen Sie, die Menschen sind heutzutage wirklich gestresster als noch vor 10 Jahren?

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Dr. Claudia Robben: Gerade Internet, Handy und Co. haben in den letzten Jahren zu einem gravierenden Tempozuwachs im persönlichen und beruflichen Alltag geführt. Kennzeichnend für den damit einhergehenden wachsenden Zeitdruck sind etwa der schnelle Zugang zu und Austausch von Information, kurze Reaktionszeiten auf Mails, ständige Erreichbarkeit und nicht zuletzt die Verkürzung der „Halbwertzeit des Wissens" verbunden mit der permanenten Notwendigkeit von Kommunikation, Fort- und Weiterbildung. Auch die zunehmend selbstverständliche Vereinbarkeit von Familie und Beruf fordert ihren Tribut und ist noch lange nicht so stressfrei wie medial gerne propagiert wird.

Eine besondere Ursache für zunehmendes Stressempfinden scheint mir jedoch die Tatsache zu sein, dass Anerkennung und positive Rückmeldung mehr und mehr vernachlässigt werden. Mitarbeiter aus vielen Berufsfeldern beklagen die Fokussierung von Führungskräften allein auf effiziente Aufgabenerfüllung. Sie fühlen sich austauschbar bis ausgenutzt, Wertschätzung und Motivation geraten ins Hintertreffen. Hier muss dringend ein Umdenken stattfinden, um den vor allem psychischen fortschreitenden Erkrankungsrisiken am Arbeitsplatz entgegen zu wirken. Glücklicherweise beobachte ich bereits an einigen Stellen Ansätze dafür.

Gibt es Berufsgruppen, die besonders häufig von Stress betroffen sind?

Robben: Stress galt lange Zeit als Managerkrankheit. Das ist längst nicht mehr zutreffend. Das Phänomen „Stress" hat in fast alle Bereiche des Berufslebens wie auch des persönlichen Alltags Einzug gehalten. Als besonders belastet gelten immer noch Menschen, die in Schichtarbeit tätig sind, mittlere Führungskräfte mit leidiger „Pufferfunktion" oder auch Menschen, die so genannte „Emotionsarbeit", d.h. eine sehr einfühlende Tätigkeit, wie etwa Pflege oder Beratung leisten.

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Letztlich bleibt aber in jedem Berufsfeld die Herausforderung bestehen, eine individuelle Balance von Belastung und Erholung, von Spannung und Entspannung herzustellen. Sie kann individuell ge- oder misslingen. Bei Bedarf sollte sich niemand scheuen, die Unterstützung etwa durch einen Coach zu suchen.

Inwiefern sind Ihrer Meinung nach Unternehmen dazu verpflichtet, Stressvermeidung bzw. -bewältigung zu fördern? Welche konkreten Beiträge können hier geleistet werden?

Robben: Eine gesetzliche Verpflichtung zu Maßnahmen der Stressvermeidung oder -bewältigung besteht nicht. Unternehmen erkennen jedoch zunehmend, dass zum Schutz ihres „Humankapitals" solche Maßnahmen eine lohnende Investition darstellen. Betriebliches Gesundheitsmanagement hilft an dieser Stelle Fehlzeiten zu reduzieren und vor allem Mitarbeitermotivation, Arbeitszufriedenheit und damit Innovation und Produktivität nachhaltig zu sichern.

Konkrete Beiträge sind beispielsweise Schulungen von Mitarbeitern zu Themen wie Stress- und Selbstmanagement oder Entspannungstraining, Führungskräftetrainings zur „gesunden Führung", gesundheitsorientierte Bewegungsangebote im Rahmen des Betriebssports, Teamentwicklungsmaßnahmen, Einzelcoachings für besonders belastete Mitarbeiter oder auch ein Projekt „gesundes Essen" in der Kantine.

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Und was sind die Folgen von ständigem Stress? Beziehungsweise, was sind die häufigsten Auswirkungen von negativem Stress.

Robben: Negativer Stress wird daran deutlich, dass die Balance von Anforderungen und Ressourcen, von Belastung und Erholung langfristig gestört ist. Die Person fühlt sich überfordert, oft fremdbestimmt und reagiert mehr als sie agiert. Der Organismus wird angesichts dieser wahrgenommenen „Bedrohung" in ständiger Alarmbereitschaft gehalten. Puls- und Atemfrequenz, Blutdruck und Muskelspannung sind erhöht, die Immunkompetenz geschwächt, die Wahrnehmung eingeengt (Tunnelblick), die kognitive Leistungsfähigkeit eingeschränkt.

Die Folge chronischer Stressreaktionen sind Krankheitsbilder wie koronare Herzerkrankungen, Bluthochdruck, Diabetes, Kopf- und Rückenschmerzen, Magen-Darm-Geschwüre, chronische Müdigkeit, Burnout-Syndrom und Depressionen.

Inwiefern verstärken persönliche Glaubenssätze Stress?

Robben: Unsere Gedanken und Einstellungen beeinflussen unser persönliches Stresserleben. Die kognitive und emotionale Bewertung einer Anforderungssituation hat entscheidenden Einfluss darauf, ob und mit welcher Intensität die physiologische Alarmreaktion ausgelöst wird.

So können negative Glaubenssätze das Stresserleben eher verstärken. Manche Menschen besitzen in dieser Hinsicht eine sehr selektive Wahrnehmung und sehen vornehmlich die bedrohlichen Aspekte einer Situation, sie verallgemeinern negative Erfahrungen, beziehen gerne alles Negative auf sich. Stresssituationen werden als „schrecklich", „peinlich" oder „fürchterlich" bewertet. Die Person glaubt, sie „müsse perfekt sein", „werde versagen" oder „werde das alles nicht aushalten können" und reagiert entsprechend negativ auf eine Anforderungssituation.

Positive Glaubenssätze dagegen (z.B. „Ruhe bewahren", „Ich schaffe das") können das Stresserleben mildern und die bereitgestellte Energie konstruktiv wirken lassen. Die individuelle Analyse sowie aktive Formulierung solcher Glaubenssätze, Affirmationen genannt, stellen einen Teil des kognitiven Stressmanagements dar und können gezielt trainiert werden.

Wie sieht Ihrer Meinung nach ein ideales Stressmanagement aus? Und was sind gute Techniken, um mit Stress besser umzugehen?

Robben: Für ein erfolgreiches Stressmanagement ist es zunächst von entscheidender Bedeutung, regelmäßig und systematisch das alltägliche Tun zu reflektieren, zu hinterfragen und so einem kontinuierlichen Verbesserungsprozess zugänglich zu machen. Nur in einem Moment der Muße und des Nachdenkens können wir erfassen, was in unserem Alltag gut läuft, wo unsere Stärken liegen, wo aber auch Dinge besser laufen könnten und Veränderungen nötig bzw. sinnvoll sind.

Auf diese Weise lässt sich feststellen, wo so genannte instrumentelle Strategien des Stressmanagements greifen müssen, die etwa Veränderungen der Arbeitsumgebung oder den Ausbau persönlicher Kompetenzen betreffen können, und wo ein gezielter Ausgleich von Belastungen etwa durch Bewegung und Entspannung der richtige Weg ist.

Konkrete Techniken liegen im Bereich Kognitions- und Mentaltraining, Bewegung als Stressausgleich, Entspannungstraining, systematisches Problemlösen sowie Genusstraining. Ziel bleibt das aktive Herstellen einer Balance von Anforderungen und Ressourcen, Belastung und Erholung.

Und wie findet man den optimalen Ausgleich zwischen Arbeit und Freizeit, also eine so genannte Work-Life-Balance?

Robben: Work-Life-Balance bezeichnet das Gleichgewicht zwischen Berufs- und Privatleben. Es meint die Ausgewogenheit verschiedener Lebensbereiche und dies nicht als statische sondern als dynamische Größe, eben als aktiv zu gestaltenden Prozess. Zur Herstellung des persönlichen Gleichgewichts sind viele Wege denkbar: Man sollte erstens die Wurzeln des persönlichen Stresses herausfinden und die Punkte, die einen belasten und stören, aktiv ansprechen. Außerdem schaffen Gedanken und Worte Wirklichkeit: Daher sollten negative und stressfördernde Gedanken durch positive, stressmindernde ersetzt werden: z.B. nicht „auch das noch" sondern „ich bleibe ruhig, morgen ist auch noch ein Tag!" Des Weiteren ist es wichtig „Dampf abzulassen." Sport und Bewegung sorgen in ganz besonderer Weise dafür, dass Stress abgebaut und die Stress-Resistenz erhöht wird. Körperlicher Ausgleich sorgt für Entspannung, Wohlbefinden und Distanz zum Alltag. Wichtig ist auch, gezielt Momente der Ruhe und Entspannung in den Alltag einzubauen und für soziale Kontakte und Unterstützung zu sorgen!

Frau Dr. Robben, wir bedanken uns für dieses Gespräch.

Informationen zur IST-Weiterbildung „Stressmanagement" gibt es auf der Homepage www.ist.de, Informationen zu Frau Dr. Robben findet man unter www.dr-claudia-robben.de.

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