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Die gesetzlichen Anforderungen an die Patientenaufklärung vor einer klinischen Studie sind durch das Arzneimittelrecht streng reglementiert. Jedes einzelne Wort des so genannten „Informed Consent“ wird von der zuständigen Ethikkommission begutachtet, um die ordnungsgemäße Aufklärung sicherzustellen. Doch vielen Prüfärzten fehlt das Bewusstsein dafür, dass die Patienteneinwilligung trotz geleisteter Signatur rechtsunwirksam sein kann, und die beteiligten Personen strafrechtlich und zivilrechtlich zur Verantwortung gezogen werden können. „Eine Patienteneinwilligung verliert immer dann ihre Gültigkeit, wenn sich herausstellt, dass die Aufklärung – gemessen an den gesetzlichen Voraussetzungen - unvollständig ist. Dann ändert selbst eine Unterschrift an der Rechtsunwirksamkeit nichts“, erklärt Rechtsanwalt Andreas Jungk, Experte für nationales und internationales Vertragsrecht in der klinischen Forschung. Der Patient muss umfassend über Wesen, Bedeutung und Tragweite der klinischen Prüfung informiert werden. Das heißt, die Zielsetzung der Studie muss dem Patienten ebenso klar werden, wie alle Risiken, Nebenwirkungen und mögliche Alternativtherapien. „Dabei soll dem Patienten keine Angst gemacht werden, trotzdem muss die Aufklärung sehr ausführlich und vor allem verständlich sein“, sagt Jungk.

Die Ethikkommissionen prüfen im Vorfeld den Wortlaut der vorgelegten Patienteninformationen für die klinische Studie. Hier wird besonders auf einfache Formulierungen und die Erklärung aller Fachausdrücke geachtet. „Um die Auflagen der Ethikkommissionen zu erfüllen, wird an dem Wording intensiv gefeilt, damit Informationsgehalt und Verständlichkeit optimiert sind“, so Dr. Michael Sigmund, Geschäftsführer der SSS International Clinical Research GmbH. Grundsätzlich ist nicht nur die Unterschrift auf der Einverständniserklärung ausschlaggebend, sondern auch die begleitende mündliche Aufklärung. „Deshalb sollte der Prüfarzt nach Möglichkeit ein kurzes individuelles Protokoll des Aufklärungsgesprächs führen, das er selbst unterschreibt und zu den Patientenakten nimmt“, sagt Sigmund.

So könne bei Konfliktsituationen besser nachvollzogen werden, wie das Gespräch ablief und welche speziellen Fragen vom Patienten gestellt wurden. „Als Clinical Research Organisation versuchen wir die Prüfärzte dahingehend zu trainieren, dass die Wichtigkeit der Patienteninformation und Einverständniserklärung nicht unterschätzt werden darf, und eine Unterschrift allein im Zweifelsfall nicht genügt“, so Sigmund. Auch die Inspektionen der Prüfzentren durch die zuständigen Behörden, die in den vergangenen Jahren intensiviert wurden, fokussieren auf den Schutz des Patienten, dazu gehört ebenso die ordnungsgemäße Patientenaufklärung und Einverständniserklärung.

Datenschutz: Gesonderte Einwilligung notwendig

Wenn nicht der Prüfarzt selbst sondern ein nicht entsprechend qualifizierter Assistent oder Mitarbeiter das Aufklärungsgespräch durchführt, ist das nicht gesetzeskonform. „Die Ethikkommission rügt diese Vorgehensweisen. Daher muss immer schriftlich festgehalten werden, wer, wann in welcher Funktion mit dem Patienten gesprochen hat“, ergänzt Jungk. Zusätzlich zu der Einwilligungserklärung ist eine gesonderte Unterschrift erforderlich, was die Weitergabe und Verwertung der klinischen Daten betrifft. Vor allem wenn die Studiendaten an einen Auftraggeber in das nicht-europäische Ausland weitergegeben werden sollen. „In diesem Fall gilt die europäische Datenschutzrichtlinie nicht und der Patient muss darüber in Kenntnis gesetzt werden und damit ausdrücklich einverstanden sein“, erklärt Jungk.

Neben der unvollständigen Aufklärung passieren häufig formale Fehler, welche von den zuständigen Prüfärzten übersehen werden.
Der Zeitpunkt der Einverständniserklärung muss auf jeden Fall vor der ersten Handlung am Patienten liegen, die durch den Prüfplan vorgeschrieben ist. Außerdem sollte der Patient ausreichend Zeit haben, sich alles durchzulesen und zu überdenken. Eine Einverständniserklärung erst knapp vor Begin der Studie kann im Zweifelsfall angefochten werden. „Ändert sich etwa der Prüfplan im Lauf der Studie durch ein so genanntes Amendment, müssen eventuell alle Patienten, die sich noch in der Studie befinden, eine amendierte Einverständniserklärung abzeichnen“, so Sigmund.

Gelegentlich unterschreiben Patienten in solchen Situationen eine veraltete Version. Deshalb ist es wichtig, alle Beteiligten immer auf dem neuesten Stand der Studie zu halten. „Unsere Clincial Research Associates sorgen dafür, dass veraltete Patienteninformationen und Einverständniserklärungen aus den Prüfzentren abgezogen werden, aber manchmal gibt es doch noch irgendwo eine alte Kopiervorlage, von der wir nichts wissen.“

Studien mit Kindern: Ab welchem Alter ist ein Kind einsichtsfähig?

Auch auf die Vollständigkeit der Patientenaufklärung sollte geachtet werden. „Beim Kopieren muss natürlich das ganze Dokument vervielfältigt werden. Wir haben schon erlebt, dass ein Prüfzentrum bei einer doppelseitigen Patienteninformation nur die Vorderseiten kopiert hat, und die Rückseiten einfach vergessen wurden“, berichtet Sigmund über Unachtsamkeiten. Ebenfalls übersehen wird manchmal die korrekte Signatur, zumal der Patient nicht nur selbst unterschreiben muss, sondern ebenso das Datum eigenhändig unter die Einwilligung setzen muss.  

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Bei Minderjährigen müssen beide Elternteile ihr Einverständnis geben. „Darüber hinaus verlangt der Gesetzgeber, das Kind entsprechend seiner Einsichtsfähigkeit über den Sinn und Zweck der Studie aufzuklären“, weiß Jungk. Fraglich sei dabei, ab welchem Alter das Kind die Bedeutung und Tragweite der klinischen Prüfung erkennen kann. „Generell wird die Einsichtsfähigkeit eher unter- als überschätzt. Um auf der sicheren Seite zu stehen, sollte davon ausgegangen werden, dass bereits ein Sechsjähriger versteht, was passiert.“ Denn wird auf die Aufklärung verzichtet, fehlt die gesetzliche Voraussetzung für die Durchführung der Studie.

Zivil- und strafrechtliche Konsequenzen

Eine unwirksame Einverständniserklärung kann gravierende rechtliche Folgen haben. Das gilt für die gesamte klinische Prüfung ebenso wie für die beteiligten Personen von den Prüfärzten, über die Monitore bis zu den Sponsoren. „Zunächst ist festzuhalten, dass bereits durch eine ungültige Einwilligung eines Patienten die Durchführung der Studie  rechtswidrig werden kann“, sagt Jungk. Das kann eine sofortige Einstellung der klinischen Forschung bedeuten, was mit enormen finanziellen Einbußen verbunden wäre.

Wird der Patient ohne eine rechtsgültige Erklärung behandelt, befindet sich auch der Prüfarzt in einer kritischen Situation. „In diesem Fall begeht der behandelnde Arzt eine vorsätzliche Körperverletzung“, erklärt Jungk. Außerdem ergeben sich haftungsrechtliche Konsequenzen, wenn ein Gesundheits- oder Vermögensschaden eintritt. Dann kann der Prüfarzt für die eingetretenen Schäden schadenersatzpflichtig werden. Darüber hinaus drohen berufsrechtliche Schritte, die vom Verlust der Kassenzulassung bis zur Aberkennung der Approbation durch die zuständige Landesärztekammer reichen können.

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