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Der Fall: Der 1. Strafsenat des OLG Braunschweig (Beschluss vom 23.02.2010 WS 17/10) hatte sich in einem durch die Staatsanwaltschaft initiierten Beschlussverfahren mit der Frage zu befassen, ob Ärzte sich der Bestechlichkeit nach § 299 StGB strafbar machen können.

Beschlusstenor  

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1. Bei einem niedergelassenen Kassenarzt handelt es sich um einen Beauftragten des geschäftlichen Betriebes einer Krankenkasse i.S.d. § 299 StGB, soweit es um die Verordnung von Medikamenten geht.

2. Als Unrechtsvereinbarung i.S.d. § 299 StGB kommen insbesondere Verstöße gegen die in § 11 Abs. 1 Arzneimittelgesetz verbotenen Handlungen (Rechtsgeschäfte oder Absprachen, die eine bevorzugte Lieferung bestimmter Arzneimittel, die Zuführung von Patienten, die Zuweisung von Verschreibungen zum Gegenstand haben) in Betracht.

Konkret ging es um einen Apotheker, der an einen Vertragsarzt neben einer Praxisumbaufinanzierung auch einen Mietkostenzuschuss in Höhe von ca. 2.000 € monatlich gezahlt hat. Das Besondere an dem Tatbestand des § 299 StGB ist, dass nur ganz bestimmte Personen mit besonderem Status darunter gefasst werden. Konkret heißt es in § 299 StGB:


 

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"..., wer im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs einem Angestellten oder Beauftragten eines geschäftlichen Betriebes einen Vorteil für diesen oder einen Dritten als Gegenleistung dafür anbietet, verspricht oder gewährt, dass er ihn oder einen anderen bei dem Bezug von Waren oder gewerblichen Leistungen in unlauterer Weise bevorzuge".

Fraglich war bislang immer, ob Vertragsärzte unter die Begrifflichkeiten "Angestellter" bzw. "Beauftragter" zu fassen sind. Dies haben die Braunschweiger Richter nunmehr bejaht. Neu an der aktuellen Sichtweise der Braunschweiger Richter ist also, dass solche Fälle nunmehr nicht mehr nur unter dem Aspekt des ärztlichen Berufsrechts betrachtet werden, sondern eben auch strafrechtlich unter dem Aspekt des Bestechungsparagraphen. Vorgeworfen wurde dem Arzt, dass er im Gegenzug für den Mietkostenzuschuss und die Umbaukostenübernahme unter anderem bei den Verschreibungen von Zytostatika den zahlenden Apotheker bevorzugt habe. Strafbar nach § 299 StGB wäre ein solches Verhalten allerdings nur dann, wenn der Arzt als Angestellter oder Beauftragter eines geschäftlichen Betriebes einen Vorteil angenommen hätte.

Die Staatsanwaltschaft Braunschweig argumentierte, dass sich der Vertragsarzt als Beauftragter der Krankenkassen geriert habe, da es sich bei ihm um einen mit öffentlich-rechtlicher Rechtsmacht beliehenen Verwaltungsträger handelt, anders ausgedrückt um einen Vertreter der Krankenkassen. Begründet hat dies die Staatsanwaltschaft damit, dass der Vertragsarzt im Namen der Krankenkassen das Rezept ausstelle, welches der Versicherte als Bote an den Apotheker übergebe. Der Arzt vermittle also den Kaufvertrag als Vertreter der Kassen.


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Dem lässt sich entgegenhalten, dass ein konkretes Vertragsverhältnis zwischen Krankenkassen und Vertragsarzt nicht bestehe und der Vertragsarzt allein verantwortlich seine freiberufliche Tätigkeit ausübe. Einen Geschäftsherren, der das Geschäft des Beauftragten genehmige oder nicht genehmige, gäbe es nicht, so die Gegenargumentation. Hierauf wiederum argumentierte die Staatsanwaltschaft, dass die Freiheit des Vertragsarztes nicht schrankenlos sei, vielmehr fänden sich im Bundesmantelvertrag Regelungen, zu Arzneimitteln, die nicht verschreibungsfähig seien, auch unterliege der Vertragsarzt der Einhaltung des Wirtschaftlichkeitsgebotes.

Aussichten

Die Richter des OLG Braunschweig sind nun der Sichtweise der Staatsanwaltschaft gefolgt. Es handelt sich verfahrenstechnisch jedoch zunächst nur um eine Entscheidung über die Beschwerde gegen die Nichteröffnung des Hauptverfahrens. Die Frage der Strafbarkeit ist noch zu entscheiden. Zu Recht argumentieren die Kritiker der Entscheidung, dass allein der Vorteil, der durch die Nähe einer Arztpraxis zu einer Apotheke entsteht, keinerlei strafbare Handlung darstellt.

Es kommt eben noch darauf an, ob eine vorwerfbare Vereinbarung zulasten der anderen Marktteilnehmer (hier Apotheken) gegeben ist. Im Einzelfall ist also zu prüfen, ob eine Absprache vorliegt. Welche dem Arzt einen Vorteil dafür verspricht, dass er gerade einen Apotheker im Gegenzug bevorzugt. Dieser Nachweis wurde vom OLG Braunschweig verneint. Die Einschätzung des OLG zum Status von Vertragsärzten als Beauftragte der Krankenkassen stellt jedoch unter diesem Aspekt ein Novum dar, was nicht unterschätzt werden sollte.

Es bleibt abzuwarten wie sich das Verfahren weiter entwickelt, da die Staatsanwaltschaft sicherlich weiter ermitteln wird. Quelle und weitere Informationen unter www.iwp.de.

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