Die Veränderungen auf dem
Apothekenmarkt kommen langsamer als erwartet, so das Fazit der
Euroforum-Konferenz "Apothekenmarkt 2009" Ende Oktober in Frankfurt.
Sollte das Mehrbesitzverbot für deutsche Apotheken in den nächsten
Wochen fallen, sei noch lange keine rasche Massengründung von
Apothekenketten zu erwarten, lautete die mehrheitliche Meinung der
Konferenzteilnehmer.
Dennoch sollten sich sowohl Apotheken als auch Großhandel und Pharmahersteller langfristig auf einen Paradigmenwechsel im Arzneimittelvertrieb einstellen. Schon heute hätten Apotheken den erhöhten Wettbewerbsdruck erkannt, so Jörg Wieczorek vom Arzneimittelhersteller Hermes. Er zitierte eine Sempora-Studie, nach der 93 Prozent der 103 befragten Apotheker ihre Marketingmaßnahmen verstärkt und 61 Prozent ein Kundenbindungsprogramm eingeführt hätten.
Leidensdruck noch nicht stark genug
Die Übernahme der Mehrheit an der niederländischen Versandapotheke Europa Apotheek Venlo durch den US-Konzern Medco gilt unter Branchenbeobachtern als Indiz, dass der deutsche Apothekenmarkt demnächst aufgebrochen werden könnte. Doch so schnell werden sich die Marktverhältnisse in Deutschland nicht verändern, stellte Klaus Gritschneder, Mitgründer der Europa Apotheek Venlo, auf der Konferenz fest: "Amerikanische Verhältnisse lassen sich nicht so einfach auf Europa übertragen." Der Jurist und Pharmaexperte Peter Homberg bemerkte: "Es wird noch zwei bis drei Jahre dauern, bis sich der hiesige Markt stark bewegen wird." Dann aber würden sich sicher einige Unternehmer Ketten aufbauen, um am Markt mithalten zu können. Junge Pharmazeuten würden es schwer haben, mit einer eigenen Apotheke an den Markt zu gehen. Frank Füßl, Apotheker und Inhaber der Metropolitan Pharmacy, verteidigte die Einzelapotheke: "Ich werde versuchen, so lange wie möglich die Inhaberschaft an meiner Apotheke zu halten." Viele seiner Kollegen sähen das ähnlich: "Der Leidensdruck ist noch nicht groß genug, niemand stelle sich gern in den Schatten einer Marke." Die inhabergeführte Apotheke habe eine Chance, allerdings seien Standort und qualifiziertes Personal entscheidend. "Hier wird ein Kampf um Köpfe entbrennen", so Füßl.
Medikamente per Post - Zukunft der Versandapotheke
Klaus Gritschneder erläuterte das Kooperationsmodell
zwischen Europa Apotheek Venlo und dem Drogeriemarkt dm: Über
Pickup-Stellen in dm-Filialen könnten Kunden ihre Bestellung in Auftrag
geben und abholen. Seit dem Start 2004 seien in Nordrhein-Westfalen,
Baden-Württemberg und Berlin 208 Pickup-Stellen, sogenannte
Pharma-Punkt-Filialen, eröffnet worden. Nächstes Jahr gehe es weiter
mit der Expansion, 900 Filialen sind Gritschneders Ziel. Ein
Pharma-Punkt könne aber keine Apotheke ersetzen und wolle es auch
nicht. "Wir betrachten uns sogar als Alternative zum klassischen
Versandhandel, weil wir eine andere Zielgruppe ansprechen: Während sich
der chronisch Kranke über 70 seine Medikamente nach Hause liefern
lässt, bedienen wir den klassischen dm-Kunden." Zum Beispiel die
30-jährige Mutter, die in der Drogerie zugleich Babynahrung kaufe.
"Eigentlich ist unser Konzept unspektakulär, und ich kenne keine
Gründe, warum man sich darüber aufregen sollte." Die nannte dafür Otto
Späth, Präsident des Bundesverbandes Deutscher Apotheker: "Der
Versandhandel gefährdet die Arzneimittelsicherheit und gehört
verboten." Die Arzneimittelvertriebswege seien zu unübersichtlich, und
durch falsche Lagerung könnte es zu Verwechslungen kommen. Späth
plädierte für ein Verbot des Bestell- und Abholservices außerhalb von
Apotheken und für eine bessere Aufklärung zum Beispiel über
Produktpiraterie im Internet.
"Deutsche zugelassene Versandapotheken sind sichere
Versandapotheken", hielt Christian Buse, Geschäftsführer der
Versandapotheke myCARE, dagegen: Das Gütesiegel "Sichere
Versandapotheke" biete dem Verbraucher Hilfe bei der Identifizierung
einer vertrauenswürdigen Versandapotheke. "Das in Deutschland geltende
Gesetz für Versandapotheken erfüllt bereits die europäischen
Forderungen des Ministerkomitees des Europarates." Am Gesamtumsatz
deutscher Apotheken von 38,1 Milliarden Euro (2007) hält der
Versandhandel einen Anteil von circa vier Prozent, wie Buse ausführte.
Zwei Millionen Kunden kauften ihre Medikamente mittlerweile bei
Versandapotheken - "und die Tendenz steigt." Aufklärung in der
Arzneimittelsicherheit werde nur durch umfassende
Patienteninformationen gelöst. Er schlug daher eine
Versandapotheken-Liste unter der Hoheit der Länder vor.
Discount: Medikamente im Supermarkt
Auf zwei Handelsschienen beruht das
Markenapothekenkonzept der easyApotheke, nach eigenen Angaben die erste
deutsche Discountapotheke. Wie Matthias Diessel, Head of Business
Development, zeigte, besteht die konzernunabhängige Holding aus einer
Versandapotheke und 24 stationären easyApotheken. Während die Zentrale
in Hildesheim die Marken- und Systemrechte hält und verantwortlich ist
für die Entwicklung des easyApotheke-Systems, führen die Apotheker die
Filialen als selbständige Unternehmer im eigenen Namen und auf eigene
Rechnung. Sie mieten die Räumlichkeiten, kaufen die Einrichtung und das
Warenlager, stellen die Mitarbeiter ein und sind verantwortlich für den
wirtschaftlichen Erfolg der Apotheke. Eine Preisreduktion von fünf bis
zehn Prozent unter UVP ist verpflichtend.
"Weitere Preissenkungen gibt
es je nach Marktumfeld und Strategie." Der Kunde soll in einer
easyApotheke sowohl Drogerie- als auch apothekenexklusive Ware
erhalten, "wie in einem Gesundheitssupermarkt". Lange Schlangen
inklusive: "Wenn es sich an einer Kasse mal etwas staut, begrüßen wir
das. Kein Club ist spannend, vor dessen Tür nicht eine Schlange von
Menschen steht." Für das Supermarkt-Gefühl sorgen auch der einheitliche
Markenauftritt und Ladenbau aller Filialen, die 2000 Artikel in der
Freiwahl, die teilweise themenbezogen positioniert werden, sowie
Einkaufskörbe und gute Parkmöglichkeiten. Verzichtet wird auf
apothekentypische Zugaben wie Taschentücher, ebenso auf
Kundenzeitschriften und Kundenkarten. "Das erwarten unsere Kunden aber
auch nicht." Bis Ende 2009 will die Holding ihr Filialnetz auf 100
Niederlassungen ausgeweitet haben. "Wir sind aber keine Kette und
wollen keine Kette werden", so Diessel.
AOK-Rabattverträge: "1. März wird eng"
Mit Blick auf die laufenden AOK-Rabattvertragsverhandlungen sagte Verhandlungsführer Dr. Christopher Hermann auf der Konferenz: "Wir haben alles aufgearbeitet, was im letzten Verfahren gegen uns verwendet wurde." 114 Hersteller hätten sich an der aktuellen Ausschreibung über 64 Wirkstoffe beteiligt. Bis Ende November wolle die AOK alle Angebote ausgewertet und die Hersteller informiert haben. Danach gehe es in die rechtlichen Auseinandersetzungen. "Die sind so sicher wie das Amen in der Kirche", so der Vorstands-Vize der AOK-Baden-Württemberg. Die Entscheidung der Vergabekammer erwartet er für Januar, "oder mit viel Glück noch vor Weihnachten". Den termingerechten Start der Verträge am 1. März 2009 stellte Hermann in Frage: "Das wird sehr eng."