Eine Generalinspektion der Altersvorsorge fordert der Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv) acht Jahre nach Einführung der Riester-Rente. "Es wird höchste Zeit, die Effektivität und Effizienz der Altersvorsorge auf den Prüfstand zu stellen", lautet der Appell von Vorstand Gerd Billen heute in Berlin.
Bundesarbeitsministerin Ursula von der Leyen müsse sich ein umfassendes Gesamtbild verschaffen, um die Alterssicherung nachhaltig zu gestalten. Wie groß der Handlungsbedarf ist, skizziert ein heute anlässlich der Tagung "Vor Sorge ums Alter" vorgelegtes Gutachten. Die Tagung debattiert, was Politik und Verbraucher heute tun müssen, um für das Morgen vor- und auszusorgen.
Der Verbraucherzentrale Bundesverband hat erhebliche Zweifel an der Zukunftsfähigkeit des gegenwärtigen Altersvorsorgesystems. "Ziel muss eine sichere Versorgung für alle im Alter sein. Diese muss auf solide Füße gestellt werden und darf nicht nach dem Prinzip Hoffnung verfolgt werden", kommentiert Billen den Status Quo. Eine Absenkung der gesetzlichen Rente ist nur dann zielführend, wenn auf der anderen Seite Verbraucher auch tatsächlich über die erforderliche Finanzkraft für eine Zusatzvorsorge verfügen und auf effiziente Produkte am Markt stoßen.
Mangels Wettbewerb können Verbraucher nicht vernünftig entscheiden
Das von Prof. Dr. Andreas Oehler von der Universität Bamberg verfasste
Gutachten "Alles Riester? Die Umsetzung der Förderidee in der Praxis"
stellt vielen "Riester"-Produkten vor allem hinsichtlich der
Transparenz und der Kostenforderungen ein schlechtes Zeugnis aus.
Demnach halten nur knapp die Hälfte aller Anbieter nutzbare
Kosteninformationen bereit, fast 40 Prozent der Angebote weisen die
Kosten nicht wie vorgeschrieben in Euro aus oder machen nur teilweise
Angaben, ein Drittel der Angebote enthält keine Angaben zu den Kosten
eines Vertragswechsels, fast ein Viertel keine hinreichenden Angaben zu
den Abschluss- und Verwaltungskosten.
Die Untersuchung zeigt zudem dramatische Unterschiede in den
quantitativen Resultaten zwischen und innerhalb der Produktgruppen. Ein
Ergebnis des Gutachtens überrascht daher nicht: "Eher dürfte ein
Verbraucher mehr spielerisches Glück benötigen als er sich an
Sachverstand sinnvoll aneignen kann, um einem unnötigen Kostenrisiko zu
entgehen. Vor diesem Hintergrund sollte man nicht von Entscheidungen in
einem wettbewerblichen Umfeld der sozialen Marktwirtschaft sprechen,
sondern eher von einer Lotterie."
Wahrheit und Klarheit durch standardisierte Produktinformation
Der Mangel an Transparenz macht einen Produktvergleich und damit einen
funktionierenden Preis- und Qualitätswettbewerb nahezu unmöglich. "Es
kann kein Wettbewerb entstehen, wenn ich die Produkte nicht verstehe",
sagt Billen und fordert eine Standardisierung der Produkt- und
Kosteninformationen. Diese muss die wesentlichen Informationen
verständlich ausweisen. Insbesondere sei durch beispielsweise
vergleichbare Kosten-Kennziffern auch eine produktgruppenübergreifende
Vergleichsmöglichkeit zu schaffen.
Anlageberater muss unabhängiger Lotse sein
Aber allein die Verbesserung der Informationsgrundlage wird nicht
reichen. Um die Verbraucher in ihrer Beurteilung und Entscheidung zu
unterstützen, bedarf es eines produktunabhängigen Lotsen. Als
Konsequenz einer schlechten Produktempfehlung landen staatliche
Fördergelder vielfach nicht bei den Förderberechtigten, sondern als
Provisionen bei den Anbietern. Verschiedene Analysen von
Riester-Angeboten der Verbraucherzentralen zeigen, dass die Kosten für
Riesterverträge teilweise die Zulagen aufzehren. Und wer das Recht auf
Anbieterwechsel nutzt, kann das eingezahlte Kapital nahezu vollständig
verlieren. Um Verbraucher vor Fehlentscheidungen zu bewahren und
zukunftsfähigen Vorsorgeprodukten zum Durchbruch zu verhelfen, fordert
der vzbv eine Stärkung der anbieterunabhängigen Beratung.
Wo stehen wir heute?
Die zurückliegenden Reformschritte in der Altersvorsorge haben eine
Absenkung des Versorgungsniveaus zur Folge. Und die als Lückenfüller
geschaffene, staatlich unterstützte private Zusatzrente kann das
Defizit nicht ausgleichen. Maximal die Hälfte der Förderberechtigten
hat bislang einen Vertrag abgeschlossen (12,89 Millionen
"Riester"-Verträge bis September 2009). Davon erhalten lediglich rund
60 Prozent der Empfänger die maximale Zulage. Neben dieser
offenkundigen Unterversorgung stellen der demographische Wandel und die
wirtschaftlichen Folgen der Finanzkrise die Politik vor zusätzliche
Herausforderungen.
Eine im Oktober 2009 von der Postbank veröffentlichten Studie hat
gezeigt, dass das Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger in ihre
Privatvorsorge gesunken ist. Demnach hat im zurückliegenden Jahr rund
jeder fünfte Berufstätige seine Verträge zur privaten Altersvorsorge
gekürzt oder die Zahlung gleich ganz eingestellt. Jeder dritte
Berufstätige gab an, im Alter über keinerlei Einnahmen aus einer
privaten Vorsorge zu verfügen. Ebenfalls ein Drittel ist verunsichert
und fragt sich, welche privaten Anlageformen überhaupt noch Sinn machen.