Die im Rahmen des Arzneimittelversorgungs-Wirtschaftlichkeitsgesetzes (AVWG) verabschiedete Bonus-Malus-Regelung ist im Januar 2007 formal in Kraft getreten. Ziel der Maßnahme sind Einsparungen bei den Arzneimittelkosten.

Danach haben Vertragsärzte der GKV für ausgewählte Arzneigruppen auf sog. „defined daily doses“ (DDD) basierende Vorgaben für ihre Verordnungen zu berücksichtigen. Analysen auf Basis der Datenbank IMS® Disease Analyzer, mittels derer sich reale Tagesdosispreise auf der Basis von Verordnungen berechnen und den DDD-basierten Kosten gegenüberstellen lassen, zeigen am Beispiel der Statine zum einen erhebliche Abweichungen zwischen den DDD und patientenindividuellen Dosierungen; zum anderen werden die DDD-Vorgaben am leichtesten erreicht je größer eine verordnete Packung und je höher die Dosis eines Wirkstoffes ist. Da die hierfür erforderlichen Tablettenteilungen oftmals nicht praktikabel sind, steigen damit die tatsächlichen Kosten – statt Einsparungen sind eher Kostensteigerungen zu erwarten.

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Unterschied zwischen realen Tagestherapiekosten und DDD-basierten Kosten

Die Bonus-Malus-Regelung sieht vor, auf Arzt- bzw. Praxisebene die durchschnittlichen Verordnungskosten definierten Zielwerten gegenüberzustellen. Diese sind für verordnungsstarke Therapiegruppen vorgesehen, so dass über die Menge der Verordnungen bei geringeren Kosten Einsparungen erzielt werden sollen. Bei einer Überschreitung der Zielwerte kann ein Arzt individuell mit einem Malus belangt werden. Bei Unterschreiten des Zielwertes wird der Unterschreitungsbetrag dem auf KV-Ebene geregelten kollektiven Bonus zugeschrieben. Es existieren KV-unterschiedliche Vereinbarungen zur Umsetzung der Bonus-Malus-Regelung sowie alternative Vereinbarungen.

Grundlage für die Berechnung der Verordnungskosten sind die sog. DDD (defined daily dose). Sie betreffen nach derzeitigem Stand sechs ausgewählte Arzneigruppen mit jeweiligen Leitsubstanzen. Die Zielwerte werden regional von den Kassenärztlichen Vereinigungen festgelegt.

IMS® Disease Analyzer liefert auf Basis anonymisierter Patienteninformationen zeitnahe und valide Informationen aus dem Praxisalltag. Es lassen sich reale Tagesdosispreise, die durch verschiedene patientenindividuelle Faktoren (z.B. Morbiditätsstatus, demografische Merkmale, Medikationsregime) beeinflusst werden, den DDD gegenüberstellen. Analysen am Beispiel der Arzneigruppe Statine zeigen hier deutliche Unterschiede. Bei der für Statine definierten Leitsubstanz Simvastatin ist eine DDD von 15mg festgeschrieben. Diese Wirkstärke wird allerdings nicht angeboten, d.h. Tabletten müssen geteilt werden. Die nachfolgende Übersicht zeigt im Vergleich, welche Kosten sich bei Großpackungen (100 Tabletten) verschiedener Wirkstoffstärken theoretisch und real ergeben. Die Kostenentwicklung stellt sich dabei gegenläufig dar: real steigen die Tagestherapiekosten bei höherer Wirkstärke an, bei den theoretisch definierten DDD hingegen nehmen sie ab. Tablettenteilungen bedeuten jedoch oft eine schlechtere Compliance, wie Untersuchungen mit IMS Patientendaten belegen.

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Gegenläufige Kostenentwicklungen zwischen theoretischem (DDD) und realem Arzneiverbrauch


Beispiel Simvastatin 1 Tabl./Tag

Wirkstoffstärke (in mg)*

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AVP** in €

Preis/ Tabl. in €

Anzahl Tabl. pro Tag

Theor.
TTK***
(DDD)

Reale TTK*** (PDD)

10

24,20

0,24

1

0,36

0,24

20

36,30

0,36

1

0,27

0,36

40

55,24

0,55

1

0,21

0,55

80

99,90

0,99

1

0,19

1,00


Beispiel Simvastatin 0,5 Tabl./Tag

Wirkstoffstärke (in mg)*

AVP** in €

Preis/ Tabl. in €

Anzahl Tabl. pro Tag

Theor.
TTK***
(DDD)

Reale TTK*** (PDD)

10

24,20

0,24

0,5

0,36

0,12

20

36,30

0,36

0,5

0,27

0,18

40

55,24

0,55

0,5

0,21

0,28

80

99,90

0,99

0,5

0,19

0,50

 

*    Simvabeta
**  AVP: Apothekenverkaufspreis, Preisbasis: Gelbe Liste Pharmindex
      3-2006

*** DDD= defined daily dose, PDD=prescribed daily dose

 

Veränderungen des Verordnungsverhaltens infolge von Bonus-Malus wahrscheinlich

Die Bonus-Malus-Regelung könnte in der Praxis einige Veränderungen mit sich bringen wie z.B.:


- Da die Richtgrößenprüfung bei Bonus-Malus-selektierten
  Arzneigruppen wegfällt, begünstigt dies einen Trend zu größeren
  Packungen und höheren Dosierungen.

- Bei DDD-basierten Tagesdosiskosten für Simvastatin-Generika
  sind Großpackungen (100 Tabletten) „wirtschaftlich“.

- Niedrige Dosierungen, die bei bestimmten Indikationen (z.B.
  moderaten Fettstoffwechselstörungen) ausreichen, werden
  vermutlich verschwinden.

- Durch die Definition von Leitsubstanzen werden alternative
  Therapieoptionen benachteiligt.

- Praxen, die bisher alternative Therapien bevorzugen, müssen
  Patienten verstärkt umstellen.

- Die durchschnittlichen Tagestherapiekosten für Statine sind seit
  Ablauf des Patentschutzes von Simvastatin kontinuierlich gefallen,
  wobei zwischen den Kassenärztlichen Vereinigungen (KVen)
  deutliche Unterschiede bestehen.

Die praktische Bedeutung der Bonus-Malus-Regelung dürfte also in Veränderungen des Verordnungsverhaltens liegen, deren Konsequenzen wohl gerade nicht zu Einsparungen führen. Mit IMS® Disease Analyzer lassen sich entsprechende Konsequenzen zeitnah auf Basis des Praxisalltags für die Ebene der Praxen, Patienten und Hersteller nachvollziehen. Neben der Gegenüberstellung theoretischer und tatsächlicher Tagestherapiekosten sind auch KV-spezifische Analysen zu realisieren und Auswirkungen auf die Compliance zu überprüfen.

 

Quelle:  IMS®  Disease Analyzer: Die Daten umfassen Diagnose- und Therapieinformationen mit Arzt- und Patientencharakteristika auf Langzeitbasis. Die Datengrundlage bilden für die letzten drei Jahre mehr als 2.000 Praxen mit weit über acht Mio. Patienten.

 

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