Das Kabinett hat heute
den Eckpunkten für ein Gendiagnostikgesetz zugestimmt. Zuvor haben sich die
Koalitionsfraktionen darauf verständigt, genetische Untersuchungen bei Menschen
in einem Gesetz zu regeln. Dabei werden die Bereiche geregelt, die einen
besonderen Schutzstandard für Bürgerinnen und Bürger erfordern. Im Einzelnen
wurden folgende Inhalte verabredet:
1. Das Recht des Einzelnen auf informationelle Selbstbestimmung im Bereich der Gendiagnostik. Dazu gehören sowohl das Recht, die eigenen genetischen Befunde zu kennen (Recht auf Wissen) als auch das Recht, diese nicht zu kennen (Recht auf Nichtwissen). Genetische Untersuchungen dürfen nur durchgeführt werden, wenn die Betroffenen in die Untersuchung rechtswirksam eingewilligt haben. Zusätzlich zur individuellen Aufklärung kommt der Beratung im Rahmen von genetischen Untersuchungen besondere Bedeutung zu. Bei vorhersagbaren genetischen Untersuchungen und bei vorgeburtlichen genetischen Untersuchungen soll die genetische Beratung nicht nur wie bei diagnostischen genetischen Untersuchungen als Angebot ausgestaltet sein, sondern als Ergänzung zur Aufklärung obligatorisch. Mit der grundsätzlichen Beratungspflicht bei vorgeburtlichen genetischen Untersuchungen wird der Schwangeren Hilfe angeboten. Gleichzeitig wird das allgemeine Persönlichkeitsrecht der Schwangeren, das auch vor der Vorenthaltung erlangbarer Informationen schützt, respektiert. Das Recht auf Beratungsverzicht bleibt entsprechend dem anerkannten Recht auf Aufklärungsverzicht davon unberührt.
2. Allein der oder die Betroffene bestimmen über die Verwendung, also die
Weitergabe, Aufbewahrung oder Vernichtung seiner genetischen Daten und Proben.
3. Niemand darf wegen seiner genetischen Eigenschaften diskriminiert oder
stigmatisiert werden.
4. Genetische Untersuchungen mit Gesundheitsbezug dürfen nur von Ärztinnen/
Ärzten veranlasst werden, die eine entsprechende Qualifikation nachweisen.
5. Genetische Untersuchungen bei nicht einwilligungsfähigen Personen müssen
grundsätzlich einen gesundheitlichen Nutzen für die Person haben.
6. Genetische Reihenuntersuchungen haben aufgrund ihres Charakters eine andere
Qualität als Einzeluntersuchungen. Sie sollen freiwillig sein und nur dann
vorgenommen werden, wenn mit der Untersuchung eine vermeidbare oder
behandelbare Erkrankung festgestellt wird.
7. Die vorgeburtliche genetische Untersuchung soll auf medizinische Zwecke
beschränkt sein. Die Durchführung von vorgeburtlichen genetischen
Untersuchungen wird nur dann zugelassen, wenn die Untersuchung darauf gerichtet
ist, genetische Eigenschaften festzustellen, die die Gesundheit des Fötus oder
Embryos vor oder nach der Geburt beeinträchtigen können.
8. Eine unabhängige Gendiagnostik-Kommission soll Richtlinien zum allgemein
anerkannten Stand der medizinischen Wissenschaft und Technik insbesondere zur
Beurteilung genetischer Eigenschaften, zur Qualifikation von Personen zur
genetischen Beratung, zu den Inhalten der Aufklärung und der genetischen
Beratung, zur Durchführung von genetischen Analysen sowie an genetische
Reihenuntersuchungen erstellen.
9. Genetische Untersuchungen zur Feststellung der Abstammung eines Kindes sind
nur dann zulässig, wenn die Personen, von denen eine genetische Probe
untersucht werden soll, in die Untersuchung eingewilligt haben.
10. Im Arbeitsrecht sind genetische Untersuchungen auf Verlangen des
Arbeitgebers grundsätzlich verboten. Außerdem darf der Arbeitgeber die
Ergebnisse einer in anderem Zusammenhang vorgenommenen genetischen Untersuchung
nicht erfragen, entgegen nehmen oder verwenden. Standarduntersuchungen, mit
denen die gesundheitliche Eignung eines Beschäftigten für den Arbeitsplatz oder
Tätigkeit festgestellt werden kann, bleiben weiterhin zulässig. Beim
Arbeitsschutz sollen genetische Untersuchungen im Rahmen arbeitsmedizinischer
Vorsorgeuntersuchungen nicht bzw. nur unter eng gefassten Voraussetzungen
zugelassen werden.
11. Versicherungsunternehmen dürfen beim Abschluss eines Versicherungsvertrages
grundsätzlich weder die Durchführung einer genetischen Untersuchung noch
Auskünfte über bereits durchgeführte Untersuchungen verlangen. Zur Vermeidung
von Missbrauch kann vorgesehen werden, dass die Ergebnisse bereits
vorgenommener Untersuchungen vorgelegt werden müssen, z. B. dann, wenn eine
Lebensversicherung mit einer sehr hohen Versicherungssumme abgeschlossen werden
soll.
Eckpunkte für ein Gendiagnostikgesetz (Stand April 2008)