Eine wichtige Strategie in der Pharmaforschung ist es, bekannte Wirkstoffe chemisch zu variieren. Oft lassen sich so Medikamente finden, die wirksamer oder spezifischer sind als die Ausgangssubstanz. Doch häufig lohnt es sich auch, bei der Suche nach neuen Arzneien diese ausgetretenen Pfade zu verlassen. Das zeigt eine Studie von Wissenschaftlern der Universität Bonn, die dafür zahlreiche Wirkstoffe unter die Lupe genommen haben.

Ergebnis: Oft gibt es mehrere wirksame Schlüsselsubstanzen, die einander völlig unähnlich sein können. Für die Pharmaforschung ist das eine gute Nachricht, da sie zusätzliche Perspektiven für die Entwicklung neuer Medikamente eröffnet. Der Artikel ist in der Zeitschrift Chemistry & Biology erschienen (Ausgabe 14, Mai 2007).

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Viele Arzneien entfalten ihre Wirkung, indem sie an spezifische Zelleiweiße binden. So docken manche HIV-Medikamente an bestimmte Proteinstrukturen auf den Immunzellen an. Sie blockieren dadurch gewissermaßen die Eintrittspforten, durch die das AIDS-Virus in die Zellen eindringt. Je stärker sich der Wirkstoff an der Oberfläche der Immunzellen "festkrallen" kann, desto besser funktioniert diese Blockade.

Idealerweise verhält sich das Medikament zu der Struktur, an der es andockt, wie ein Handschuh zur Hand: Je besser Wirkstoff und Andockpunkt in Form und Aufbau zueinander passen, desto fester die Verbindung. Wenn Pharmaunternehmen ein Medikament verbessern möchten, variieren sie daher zunächst meist gezielt seinen Aufbau: Sie versuchen gewissermaßen, den Handschuh auf Maß zu schneidern. Auch die Suche nach bereits bekannten Substanzen ähnlicher Struktur verspricht häufig Erfolg.

Hin und wieder haben die Pharmaforscher jedoch Pech: "Manchmal büßt eine Substanz durch eine minimale Änderung ihre Wirksamkeit fast völlig ein", erklärt der Bonner Bioinformatiker Professor Dr. Jürgen Bajorath. Vielleicht ist der Handschuh plötzlich zu eng und will partout nicht mehr passen. Umgekehrt kann ein Wirkstoff ganz anders aussehen, aber ebenso aktiv oder sogar aktiver sein wie die Ausgangssubstanz. "Das ist ein Rätsel, das Wirkstoffforscher bislang nur teilweise verstehen."

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