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Im November 2012 hat die amerikanische Food and Drug Administration (FDA) einen neuen Leitlinienentwurf zur klinischen Forschung herausgegeben, in dem sich die Behörde dafür ausspricht, mehr studienrelevante Daten in elektronischen Systemen zu dokumentieren. In der akademischen Diskussion wird dieser positive Ansatz jedoch häufig überinterpretiert: Im Rahmen des Monitorings von klinischen Studien sei es demnach ausreichend, sich künftig die vorhandenen elektronischen Daten online anzusehen, anstatt sich vor Ort ein Bild zu machen, so die Argumentation.

Da allerdings in die elektronischen Prüfbögen (eCRF) derzeit nicht alle relevanten Daten eingetragen werden und es sich zudem nicht bei all diesen Daten um die für die Überprüfung der Studie entscheidenden Originaldaten handelt, würde jedoch beispielsweise das Risiko steigen, dass Protokollverletzungen übersehen werden. Das Remote Monitoring der Daten im eCRF kann daher aktuell ausschließlich als unterstützende Maßnahme angesehen werden.

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In vielen klinischen Studien werden Daten in zunehmendem Maße auch elektronisch festgehalten. Diese Entwicklung hat vor circa 15 Jahren begonnen und besitzt großes Potenzial, da sich die Methoden sowie die Verarbeitunsgeschwindigkeiten zwischenzeitlich deutlich verbessert haben. Im aktuellen Leitlinienentwurf “Guidance for Industry. Electronic Source Data in Clinical Investigations” vom November 2012 plädiert auch die FDA nun für einen weiteren Ausbau der elektronischen Dokumentation von studienrelevanten Informationen.


Unter Bezugnahme auf diesen Ansatz der FDA wird in der akademischen Diskussion jedoch immer häufiger die Forderung laut, dass die Termine vor Ort in den Prüfzentren reduziert werden sollen. Sie seien nicht mehr nötig, da die Online-Überprüfung der im elektronischen Prüfbogen vorhandenen Originaldaten als gleichwertig anzusehen sei.

Originaldaten – an der Prüfstelle als erstes dokumentiert

Dabei wird übersehen, dass es sich bei vielen Informationen, die im eCRF gespeichert werden, gar nicht um Originaldaten handelt. Der Begriff bezeichnet in der klinischen Forschung ausschließlich den Ort, an dem studienrelevante Informationen erstmals niedergeschrieben werden. Entsprechend fallen unter diese Definition nur direkt eingegebene elektronische Daten. Zusätzlich gibt es aber viele andere Originaldaten wie zum Beispiel handschriftliche Notizen in der Krankenakte, Labor- oder EKG-Ausdrucke. Auch das Post-it, auf dem der Arzt sich nach einem Patientengespräch etwas notiert, kann ein Originaldatum sein. Werden die Daten auf Ausdruck oder Notizzettel anschließend ins eCRF eingetragen, so sind die dort dokumentierten Informationen definitionsgemäß keine Originaldaten mehr.

Die Einhaltung dieser Definition ist für die Prüfzentren wichtig, da für Originaldaten die verbindliche Regel gilt, dass sie nicht vernichtet werden dürfen. Bei einer Überprüfung muss das Zentrum gegenüber den Inspektoren der zuständigen Behörden nachweisen können, dass Daten, die nur im elektronischen Prüfbogen vorliegen, dort auch als erstes eingetragen wurden und somit tatsächlich Originaldaten sind. Wurden Informationen in Wahrheit jedoch von anderen Dokumenten übertragen und diese dann entsorgt, kann das im schlimmsten Fall dazu führen, dass die Daten nicht verwendet werden dürfen und die Studie gefährdet ist.


Vielfältige Datenquellen vor Ort erschließen sich nur bei Termin im Prüfzentrum

Es gibt also neben dem eCRF in den Prüfzentren immer noch weitere Dokumentationen – einschließlich vieler Originaldaten –, die für eine Studie von essentieller Bedeutung sein können. Ist der Clinical Research Associate nicht persönlich vor Ort, werden diese jedoch nicht sichtbar. Nur die Sichtung aller Originaldaten kann jedoch sicherstellen, dass alle sicherheitsrelevanten Daten überprüft werden und keine potentielle Gefährdung der Studienpatienten in Kauf genommen wird. Trotz der inzwischen sehr guten GCP-Kenntnisse der allermeisten Prüfzentren in Europa ist die Unterstützung der Zentren durch die Clinical Research Associates als GCP-Spezialisten vor Ort weiterhin notwendig, um die immer komplexer werdenden Prüfpläne korrekt umzusetzen, eventuelle Protokollverletzungen festzustellen und alle sicherheitsrelevanten Ereignisse prüfen zu können.

eCRF nur als unterstützende Informationsquelle sinnvoll

Der Ansatz der FDA, mehr zu dokumentieren und dies verstärkt auch in elektronischer Form zu tun, ist positiv zu bewerten. Es ist jedoch nicht ausreichend, sich bei der Überwachung von klinischen Studien allein auf den eCRF zu stützen und die Zentren nur noch sporadisch zu besuchen. Anders zu bewerten wäre die Sachlage nur, wenn die gesamte Patientenakte und damit auch alle relevanten Informationen abrufbar wären, was jedoch momentan in Europa aus datenschutzrechtlichen Gründen nicht umsetzbar ist.

Die Online-Zugänglichkeit von Originaldaten kann zwar verbessert werden, indem mehr elektronische Geräte bei der Dokumentation der Studie eingesetzt und damit mehr Daten direkt eingetragen werden. Doch auch dann hat der Monitor keinen vollständigen Überblick über die gesamte Datenlage, denn beispielsweise der Entlassungsbrief aus einem Krankenhaus findet sich wieder nur in der Krankenakte. Die Online-Überprüfung der im eCRF eingetragenen Daten ist zwar als eine sehr sinnvolle, aber rein unterstützende Maßnahme anzusehen. Etwaige grundsätzliche Fehler können so schneller zutage gefördert werden. Den Besuch der Prüfzentren kann der elektronische Prüfbogen jedoch nicht ersetzen.

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