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Foto: aboutpixel.de„Schwarze Schafe" erschweren sorgfältige Prüfarztauswahl und verursachen hohe Kosten - Werden in klinischen Studien Ergebnisse durch Prüfärzte manipuliert, hat das enorme Auswirkungen auf die Entwicklung eines Medikaments. Die erfundenen Daten können darüber entscheiden, ob ein neues Produkt am Markt fälschlicherweise zugelassen oder die Forschung gestoppt wird, obwohl die Substanz eigentlich Potenzial hatte.

Doch weil in Deutschland die Mehrzahl der entdeckten Betrugsfälle ungeahndet bleibt, sind „Schwarze Schafe" unter den Prüfärzten nur schwer auszumachen. Dr. Michael Sigmund - seit 20 Jahren in der klinischen Forschung tätig - fordert deshalb für Europa ein Verfahren, das disqualifizierte Prüfzentren für Studien sperrt, den Ärzten aber dennoch erlaubt - je nach Schwere des Delikts - ihre Approbation zu behalten.

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„Prüfärzte bei einem Verdacht auf Betrug anzuzeigen, ist eine große Hemmschwelle für so genannte ‚Whistleblower', weil dadurch ja die Existenz der betroffenen Ärzte bedroht wird", erklärt Dr. Michael Sigmund, Geschäftsführer der SSS International Clinical Research GmbH. Denn Konsequenzen eines Fehlverhaltens können kassenärztliche Sanktionen auslösen, berufsrechtliche Maßnahmen wie den Widerruf der Approbation nach sich ziehen und auch arbeitsrechtliche Schritte bewirken. Außerdem haben Geschädigte die Möglichkeit, zivilrechtliche Schadensersatzansprüche geltend zu machen. „Die unmittelbaren strafrechtlichen Tatbestände bei einer Datenmanipulation sind etwa Betrug und Urkundsdelikte", so Rechtsanwalt Alexander Maur, Experte für Pharmarecht. Nach dem Gesetz gebe es in klinischen Prüfungen vielfach Umstände, welche Strafschärfungen auslösen. Diese können auch zur Verhängung einer Freiheitsstrafe führen. Darüber hinaus dürfen die Folgen einer öffentlichen Stigmatisierung, die ein Ermittlungsverfahren mit sich bringt, nicht unterschätzt werden.

CROs sind in Deutschland auf Mundpropaganda angewiesen

Aufgrund von Auditberichten wird die Zahl der Datenverfälschungen auf circa ein bis zwei Prozent geschätzt, wobei hier fahrlässiges Handeln miteinbezogen ist. Die Dunkelziffer liegt bestimmt höher, doch in Deutschland gibt es bislang kein verlässliches Verzeichnis von Prüfzentren, die Daten manipuliert haben. „In Deutschland beziehungsweise Europa fehlt ein Modus, disqualifizierte Prüfärzte öffentlich zu machen", so Sigmund. In den USA werden von der Zulassungsbehörde FDA (Food and Drug Administration) offizielle Listen geführt, die disqualifizierte oder unkorrekt handelnde Ärzte anführt. Diese können von jedem auf der Homepage der FDA aufgerufen werden. Betroffene erhalten von der zuständigen Behörde einen so genannten „Warning Letter", um gegebenenfalls Stellung zu beziehen. Ein mehrstufiges Verfahren kann letztendlich zur Disqualifikation als Prüfarzt führen, wobei eine Tätigkeit als Mediziner weiterhin möglich ist.

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„Im Gegensatz zu den USA erfolgt aus Gründen des Datenschutzes in Deutschland keine ausführliche schriftliche Auskunft", erläutert Maur. Die Deutsche Gesellschaft für Pharmazeutische Medizin (DGPharMed) unterhält zwar ein so genanntes „Goldenes Gedächtnis", dort wird jedoch nur telefonisch Auskunft darüber gegeben, ob ein konkretes Prüfzentrum bereits bekannt ist. Die Sammlung von Informationen über das „Goldene Gedächtnis" erfolgt jedoch nur sporadisch und nicht systematisch. „Obwohl alle in der Arzneimittelforschung Tätigen in der Verantwortung stehen, unethisches Verhalten zu erkennen und zu unterbinden, ist das Informationsbild unvollständig", sagt Maur. Dem „Goldenen Gedächtnis" wurden in den letzten zwölf Jahren mehr als 100 Prüfärzte gemeldet, bei denen Hinweise für ein schweres Fehlverhalten oder mutmaßlichen Betrug vorlagen. „De facto fehlt es an einer Verbindlichkeit zur Meldung von Verdachts- und Betrugsfällen, im Grunde bleibt das ‚Goldene Gedächtnis' eine freiwillige Maßnahme", so der Rechtsexperte.

Manipulierte Angaben gefährden Studien

Unkorrekte Daten haben für die klinische Forschung vielfältige Auswirkungen. „Falsche Ergebnisse sind für Sponsoren mit hohen finanziellen Einbußen verbunden", weiß Sigmund. Es kann passieren, dass die Entwicklung eines Medikaments gestoppt wird, obwohl die Substanz Potenzial hatte. „Vor allem in Phase II, wo nur wenige Patienten getestet werden, können einige manipulierte Angaben die gesamte Studie kippen." Nicht valide Daten beeinflussen die Arzneimittelwirksamkeit, -verträglichkeit und -sicherheit. Werden zusätzliche Prüfergebnisse benötigt, verzögern sich Zulassung und Markteinführung, wodurch erneut hohe Kosten anfallen. Um Betrug zu erschweren, können verschiedene Maßnahmen ergriffen werden. Dazu gehört etwa die Einführung eines Zentrallabors anstelle eines Hauslabors, um auch Nachanalysen zu ermöglichen, sowie harte Parameter, die schwieriger zu fälschen sind. „Je mehr Personen an einem Prüzentrum involviert sind, desto aufwändiger wird es, Ergebnisse zu verändern", so Sigmund. Deshalb seien kleine, einzelne Praxen problematischer als Kliniken.

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Hinweise, die auf ein Fehlverhalten schließen lassen, sind schwer festzumachen. Wenn alle Daten passen, der Zeitplan genau eingehalten wird und die geplante Anzahl an Patienten schnell erreicht wird, könnte das verdächtig sein. „Aber manche Zentren arbeiten einfach sehr genau, sind zuverlässig und geben sich Mühe. Andere wiederum sind eher schlampig, was allerdings nicht heißt, das die genauen fälschen und die anderen nicht", berichtet Sigmund. Bei einem Betrugsverdacht ist zunächst der Sponsor am Zug über das weitere Vorgehen zu entscheiden.


 

Neben der routinemäßigen und aufwändigen Überwachung der Studien durch Clincial Research Associates, die unter anderem einen Datenabgleich mit den Patientenakten durchführen und dabei Probleme als Erste erkennen, können bei Verdacht auf Unregelmäßigkeiten im Rahmen eines sogenannten For-Cause-Audits alle Dokumente nochmals durch einen externen Experten gesichtet werden. „Wenn die Daten zur Einsichtnahme für die Überprüfung der ordnungsgemäßen Durchführung bereitgehalten werden sollen, muss der Patient darüber aber vorab informiert werden", erläutert Maur. Vor allem Zweck, Umfang der Erhebung und Verwendung sind dem Patienten mitzuteilen. Werden durch den Arzt personenbezogene Patientendaten weitergegeben, bei denen es sich zudem um strafrechtliche geschützte, vertrauliche Daten handelt, so wird die Zustimmung der betroffenen Person benötigt. „In Notstandssituationen, wenn etwa eine akute Gefahr für den Patienten besteht, kann eine Weitergabe ausnahmsweise auch ohne vorherige Einwilligung zulässig oder gar rechtlich zwingend sein", sagt der Experte für Pharmarecht. Dies sollte aber nur in Absprache mit einem Rechtsanwalt erfolgen.

Disqualifizierte Prüfzentren: Nicht GCP-konformes Arbeiten

Für eine erfolgreiche klinische Prüfung ist es wichtig, bei der Auswahl der Prüfärzte sorgfältig vorzugehen. CROs können intern eine Liste führen, in der sie jene Prüfzentren anführen, mit denen sie negative Erfahrungen gemacht haben. Doch diese Informationen allein reichen für die Prävention von möglichem Fehlverhalten nicht aus. „Solange es keine andere Lösung gibt als eine Strafanzeige, um Prüfzentren aus dem Verkehr zu ziehen, werden ‚Schwarze Schafe' weiterhin an klinischen Studien teilnehmen können", sagt Sigmund. Es wäre auch notwendig Prüfzentren zu sperren, die zwar nicht bewusst Daten manipulieren, aber durch oberflächliches Arbeiten die Qualität der Ergebnisse beeinflussen. „Sind Prüfärzte mit der Durchführung der Studie überfordert und arbeiten nicht nach der Good Clinical Practice, können ebenfalls vielfältige und auch strafrechtlich relevante Probleme entstehen", so Sigmund.

Durch die Einbeziehung der Ethikkommissionen in das Auswahlverfahren für Prüfärzte hat sich in den letzten Jahren zwar einiges verbessert. Ein Disqualifikationsverfahren mit europaweiter Geltung wäre aber dennoch ein großer Schritt in die richtige Richtung. Da disqualifizierte Ärzte überhaupt nicht mehr in die Auswahl genommen würden, ergäbe sich eine erhebliche Aufwands- und Qualitätsverbesserung. Haben Ärzte generell kein Interesse an der Teilnahme an klinischen Studien sollte auch die Möglichkeit angedacht werden, dass sich diese in eine öffentliche Liste eintragen können. Sie würden dann nicht mehr auf eine Studienteilnahme angesprochen und so wäre den Medizinern und den CROs geholfen und der zeitliche Aufwand der Prüfzentrenauswahl könnte verkürzt werden.

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