Kein Mediziner darf eine Apotheke besitzen oder an ihr beteiligt sein. Was wie ein aktueller Wahlkampf-Slogan zur Bundestagswahl klingt ist über 800 Jahre alt. Um 1200 erfolgte im Edikt von Salerno die gesetzliche Abgrenzung des Ärztestandes vom Apothekerwesen. Ärzte durften fortan keine Apotheke besitzen oder daran beteiligt sein und die Arzneimittelpreise wurden gesetzlich festgeschrieben, um Preistreiberei zu verhindern. Das gilt heute noch !

Was Stauferkaiser Friedrich II im Mittelalter vorgemacht hat will die Bundesregierung 800 Jahre später mit einem neuen Gesetz gegen die Korruption im Gesundheitswesen fortführen. Ein Patientenschutzgesetz soll im Jahr 2009 festschreiben, dass vertragliche Vereinbarungen von Ärzten mit Krankenhäusern und anderen Leistungserbringern offen gelegt werden müssen. Nötig sei mehr Transparenz für Patienten bezüglich der Verträge zwischen Ärzten und anderen Leistungserbringern, etwa Sanitätshäusern oder Physiotherapeuten.

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Für Arzt, Apotheker, Krankenhaus, Physiotherapeut oder Sanitätshaus rechtfertigt seit Jahren die pure Existenz eine Finanzierung ihrer Dienstleistungen nicht mehr. Wer nicht nachweisen kann,dass er ein sinnvoller und nützlicher Teil der sektorenübergreifenden Wertschöpfungskette im Gesundheitswesen ist, wird Probleme bekommen und aus dem Markt ausscheiden. Das ist vom Gesetzgeber so gewollt.

Es sind gesetzliche Bestimmungen und Richtlinien, aus denen heraus Ärzte und andere Leistungserbringer aufgefordert werden, den Behandlungsprozess gemeinsam zu organisieren, zu optimieren und dazu Vergütungsvereinbarungen zu treffen.

Diese Versorgungsmodelle pauschal zu kriminalisieren, fällt im Grunde genommen auf die Urheber der Gesetze und Richtlinien zurück. Die Abwicklung medizinischer und therapeutischer Interaktionen über Märkte und Preise verletzt seit jeher das soziale Empfinden vieler Menschen.

Die im April 2009 in Kraft getretenen Gesetzesänderungen zu einer medizinisch gebotenen Zusammenarbeit unterschiedlicher Leistungserbringer sowie die Hilfsmittel-Richtlinien, Beschlüsse des Gemeinsamen-Bundesausschuss und Versorgungsstrukturen bei Disease Management Programmen werfen bei den Beteiligten zahlreiche Fragen auf. Die jüngste Diskussion um Kopfprämien und Zuweisungen gegen Entgelt belegen dies.

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Nun gab es seit April zahlreiche juristisch filigran entwickelte Konstrukte, Kooperationen zwischen Ärzten und anderen Leistungserbringern so zu gestalten, dass eine Zusammenarbeit oder ein Beratervertrag auch nach der neuen Gesetzeslage gerechtfertigt und legal erschienen. Der Gesetzgeber hat jedoch schnell reagiert und in nur zwölf Wochen nach in Kraft treten des § 128 SGB V erneut eine Verschärfung eingeführt. Spätestens jetzt ist der Dschungel an Paragraphen, Richtlinien und Empfehlungen für den Arzt nicht mehr zu durchschauen. Das die Abgabe von Hilfsmitteln in der Arztpraxis, also über Depots, verboten ist, wissen wahrscheinlich die meisten. Jetzt laufen solche Modelle nur noch mit den Krankenkassen. Ob dieses System dem Patienten nützt oder der Arzt zum Gewerbetreibenden wird hinterfragt keiner.

Auf der einen Seite werden sektorenübergreifende Kooperationen gesetzlich gefordert Versorgungsmanagement) auf der anderen Seite werden Kooperationsformen aber gesetzlich verboten (§ 128 SGB V). Trennt der Arzt akribisch ärztliche und nicht-ärztliche Leistungen und bekommt dafür ein Honorar, besteht die Gefahr der gewerblichen Infizierung der Arztpraxis.

Die im Februar 2009 in Kraft getretenen neuen Hilfsmittel-Richtlinien schreiben ausdrücklich die ärztliche Abnahme von ausgewählten Hilfsmitteln vor und das versorgende Sanitätshaus ist verpflichtet, bei nicht Erreichung von Versorgungszielen, den Arzt unverzüglich zu unterrichten.

Diese im Grunde genommen vernünftige Richtlinie hat, wie so vieles im deutschen Gesundheitswesen, ihre Tücken.

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Der Verwaltungsaufwand für Dokumentation und Qualitätssicherung nach Medizinprodukterecht und Hilfsmittel-Richtlinien ist für das Sanitätshaus so enorm, dass es sich kein Sanitätshaus leisten kann, darauf zu warten, dass irgendwann einmal ein Patient mit Rezept und sauber ausgefülltem Hilfsmittel Erhebungsbogen seinen Laden betritt. Steht ein Patient mal im Laden, hat sich der Facharzt selbstverständlich vorher ausführlich mit der ICF-Systematik bei der Hilfsmittelversorgung auseinandergesetzt und alle datenschutzrechtlichen Aspekte berücksichtigt.

Viele Versorgungsverträge zwischen Sanitätshäusern und Krankenkassen schreiben heute schon Mindestmengen für ausgewählte Hilfsmittel vor. Sanitätshäuser sind also auf Zuweisungen angewiesen, sonst gibt es bald keine Sanitätshäuser mehr.

Der Arzt muss nach den Richtlinien erheben, prognostizieren und dokumentieren, bekommt dafür von den Krankenkassen aber kein Geld. Nun ist der Umstand, dass Fachärzte die Vergütung ihrer Tätigkeit durch Krankenkassen für zu niedrig halten, kein schlüssiges Argument, die Hilfsmittel-Richtlinien nicht zu beachten und keine Dokumentation anzulegen oder aber keine Hilfsmittel mehr zu verschreiben.

Es ist politisch gewollt, dass weniger Hilfsmittel verschrieben werden. Wie all die Einlagen, Bandagen, Orthesen und Stützmieder auf das Behandlungsziel einwirken oder zur Heilungsfähigkeit beitragen, kann bis heute sowieso kaum einer sagen.

Nun schreibt der Gemeinsame Bundesausschuss wesentliche Elemente der Hilfsmittelversorgung zwingend vor, schon schieben Gesetzgebung und Gerichte Riegel vor, die das System der medizinisch gebotenen Zusammenarbeit kriminalisieren.

Das Bundesministerium für Gesundheit hat erst kürzlich in seinem Forschungsbericht über die Maßnahmen zur Verbesserung der gesundheitlichen Situation von Menschen mit Seltenen Erkrankungen in Deutschland gefordert, dass eine verstärkte Implementierung von Spezialambulanzen und Referenzzentren, gemeinsame Versorgungsmodelle verschiedener Leistungserbringer sowie Shared-Care-Modelle mit Referenzzentren, Spezialambulanzen und wohnortnahen Leistungserbringern notwendig sind.

Für die Indikationsbereiche rheumatische und neuromuskuläre Erkrankungen sowie Skelettfehlbildungen und onkologische Erkrankungen werden in den Beschlüssen des Gemeinsamen Bundesausschuss explizit die Hilfsmittelberatung und Verordnung, die als Leistungsbereiche an Krankenhäusern zur Verfügung stehen müssen, genannt. Zusätzlich sind alle Leistungserbringer zur ergebnisorientierten Dokumentation und Auswertung verpflichtet.

Der Gemeinsame Bundesausschuss konkretisiert in seinen Beschlüssen die diagnostischen und therapeutischen Prozeduren sowie die sächlichen und personellen Anforderungen. Der inhaltliche Fokus liegt dabei auf der qualitativ hochwertigen und spezialisierten Diagnostik sowie einer Therapie in interdisziplinären Behandlungsteams. So müssen alle Einrichtungen zur ambulanten Behandlung eine Dokumentation führen, durch die eine ergebnisorientierte und qualitative Beurteilung der Behandlungen gewährleistet wird. Bei rheumatologischen Erkrankungen müssen zusätzlich die Leistungsbereiche Orthopädietechnik, Orthopädiemechanik und Orthopädieschuhmacher zur Verfügung stehen.

Dem Arzt ist es jeher ohne besondere medizinische Gründe untersagt, Patienten an andere Leistungserbringer zu verweisen. Die Messlatte, was medizinische Gründe sind, hat der Bundesgerichtshof im Juli 2009 erneut sehr hoch gelegt. Das oberste deutsche Gericht bejaht die Zulässigkeit der Zusammenarbeit zwischen dem Arzt und einem bestimmten Anbieter von Hilfsmitteln nur dann, wenn das aus medizinischen Gründen verfolgte Ziel nicht auf andere zumutbare Weise erreicht werden kann. Die Gretchenfrage für jeden Facharzt ist nun, was „andere zumutbare Weisen“ sind.

Arzt und Sanitätshaus müssen die medizinisch gebotene Zusammenarbeit gegenüber den Patienten transparent kommunizieren. Hierfür dürfen ausschließlich medizin-technische und qualitätssichernde Aspekte eine Rolle spielen. Dies ist seit in Kraft treten der entsprechenden Gesetze nur noch über ein genau definiertes Versorgungsmanagement möglich.

Wenn die Qualität der kooperativen Zusammenarbeit zwischen Sanitätshaus und Arzt nicht in der Lage ist, ausreichende Zuweisungen zu erreichen, sondern dies nur durch Geld möglich ist, dann ist dies kein gutes Zeugnis für Versorgungsqualität.

Die Folgen wären, dass mäßige versorgungstechnische Qualitäten durch unlautere Wettbewerbsmaßnahmen am Markt gehalten werden.

Für die Patienten und das Gesundheitssystem wäre dies extrem schädlich.

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