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Die Unkenrufe der gesetzlichen Krankenkassen wegen drohender Beitragssatzerhöhungen werden stets wiederkehrend populistisch mit höheren Arzneimittelausgaben begründet. So falsch wie oft behauptet! Nach Angaben der ABDA, (Bundesvereinigung Deutscher Apothe- kerverbände), wird das Anstiegsvolumen in 2007 bei ca. 8% liegen.

Das bereinigte Ausga- benwachstum, also ohne die ca. 2% Mehrkosten durch Mehrwertsteuererhöhung und weitere rund 2% durch neue Impfungen im Leistungskatalog, also nur ein Plus von rund 4%, wird damit absolut im Umfang der vereinbarten Rahmenvorgabe liegen. (Bekanntlich bekommt die Industrie selbst nur knapp über die Hälfte davon). In dieser Summe sind nicht einmal die un- veröffentlichten Einsparungen durch Rabattarzneimittel berücksichtigt! Darüber hinaus haben wir eines der besten Gesundheitssysteme der Welt, deshalb sind wir auch nicht vergleichbar, wenn Kostenvergleiche anderer Volkswirtschaften mit der unsrigen angestellt werden.

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Es spricht kein Kritiker über den (verdienten) Honoraranstieg der Klinikärzte um 13% in 2007 und weitere 10% Forderung (ebenfalls verdient) in der neuen Tarifrunde, auch nicht über den (genauso verdienten) Honoraranstieg von 10% im niedergelassenen Arztbereich innerhalb von zwei Jahren. Ebenfalls völlig in der Versenkung verschwunden ist die Diskussion über die Sonderprämien für Kassenvorstände im Jahr 2004. Ist bei den allgemein stark gestiegenen sonstigen Lebenshaltungskosten ein Plus von 4% (dazu staatlich gepuscht!) für Arzneimittel „indiskutabel? Wir alle müssen uns fragen, was uns unsere Gesundheit in Zukunft wert ist.

Wie unsinnig die Aufrufe, für jetzt noch mögliche 9 Monate in „billige“ Kassen zu wechseln, wo 2009 der Hammer des bundeseinheitlichen Beitragssatzes mittels des unseligen Gesund- heitsfonds niederfallen soll. Reicht dann nicht eine Einheitskasse, wo doch Leistungen und Beiträge danach weitestgehend gleich sind, warum sparen wir so nicht 200 Vorstandsetagen?


Die permanent gescholtene pharmazeutische Industrie blutet jetzt mit ihrem Personal. Bei Holzmann, in Rheinhausen, bei Ben-Q, Opel, BMW und jetzt Nokia etc. traten und treten Politiker aller coleur auf, doch wen interessieren schon Arbeitsplatzverluste von Mitarbeitern der Pharmaindustrie? Schon einmal darüber nachgedacht, dass das ebenfalls Menschen und ihre Familien sind, die in ein schwarzes Loch fallen? Es handelt sich aber auch um Wählerstimmen, Frau Bundeskanzlerin und Damen und Herren Minister/innen. Die von Ihnen und Ihrer Regierung entfachte Steuererhöhungsorgie mit Preisanstiegen in nie gekanntem Ausmaß sind an der Misere der Sozialsysteme ursächlich mit beteiligt. Warum gründen Staat und Industrie nicht auch für entlassene Pharmamitarbeiter eine Auffanggesellschaft und qualifizieren sie darin mit Hilfe des von BdP und FH Hannover etablierten Fort- und Weiterbildungsprogramms fort, um die Zeit bis zur Einführung höchst erklärungsbedürftiger neuer Arzneistoffe, wenn man qualifizierten Außendienst wieder braucht, zu überbrücken oder das „frei gestellte“ Personal für andere Aufgaben im Gesundheitssektor fit zu machen?

Bei nur über den Preis und Wirk-, nicht Inhaltsstoff abgeschlossenen Rabattverträgen für nicht mehr durch Fachkräfte „beratene“ Arzneimittel bleibt die Sicherheit auf der Strecke mit möglichen schwer wiegenden Folgen für empfindlich reagierende Patienten! Dieses Risiko müssen sich Patienten jetzt vor Augen halten! Wer setzt so die Forderung der EU nach Phar- makovigilanz (dauerhafte Kontrolle auch von im Handel befindlichen Arzneimitteln) um? Reichen nicht Contergan-Erfahrung und jährlich ca. 17.000 Tote durch fehlerhafte Medika- mentenverabreichung??

Frau Bundeskanzlerin, Sie sind gewählt und vereidigt worden, vom deutschen Volk Schaden abzuwenden, mancher Bürger fragt sich, ob Sie das wirklich in diesem Fall tun?

Erhard Jörgens
Freier Journalist für Gesundheitspolitik
Lehrbeauftragter der FH Hannover

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