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Foto: photocade.comOperieren via Kamera, präzise Schnitte mittels Laserstrahl, robotergesteuerte OP-Instrumente – an diesen Verfahren arbeiten seit 2005 bundesweit drei interdisziplinäre Verbünde aus Wissenschaft, Medizin und Wirtschaft. Sie werden  unter der Leitvision „Schonendes Operieren mit innovativer Technik“ (SOMIT) vom Bundesministerium für Bildung und Forschung gefördert.

Beim Journalisten-Round-Table der SOMIT in Berlin am 7. September wurden erste Ergebnisse präsentiert. Gemeinsames Fazit: Der unmittelbare und schnelle Technologietransfer zwischen Medizin, Ingenieurswissenschaft und Wirtschaft ist treibende Kraft im medizinischen Fortschritt und Quelle für wirtschaftliches Wachstum. Das Berufsfeld des Arztes verändert sich mit zunehmender IT-Vernetzung, und neue Richtlinien im Risikomanagementprozess IT-vernetzter OP-Systeme sind erforderlich.

Drahtlos vernetzte Bildschirme mit 3D-animierten Navigations- und Planungsbildern umgeben den Chirurgen bei seiner Arbeit am OP-Tisch und schaffen Orientierung beim Eingriff. In Echtzeit werden die patientenindividuellen Planungsdaten an die intraoperativ gewonnenen Ultraschalldaten angepasst. Dieses Szenario, das vor allem in der komplexen Leberchirurgie noch vor wenigen Jahren als eine Vision galt, steht nun kurz vor der Realisierung: „Gemeinsam mit unseren Partnern arbeiten wir bei FUSION an der Echtzeitfähigkeit der Bildregistrierung. Aufgrund der ständigen Bewegung und Deformation der Leber ist das eine enorm große Herausforderung. Sollte uns dies gelingen, wird das die Chirurgie revolutionieren“, sagt Dr. Raimund Mildner, Projektkoordinator des SOMIT-Verbunds FUSION.

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Mit Lübeck als Zentrum bildet FUSION eine innovative Plattform für die Entwicklung und Umsetzung prozessoptimierter Verfahren zum schonenden und präzisen Operieren in der inneren Chirurgie und genießt im Bereich der modernen Leberchirurgie einen erstklassigen internationalen Ruf. Wie auch bei den beiden weiteren SOMIT-Verbünden orthoMIT (Schwerpunkt: Orthopädie und Traumatologie) und CoHS (Schwerpunkt: Presbyopie-Diagnose und -Therapie) gilt der schnelle Wissens- und Technologietransfer zwischen Medizin, Wissenschaft und Wirtschaft als treibende Kraft bei der Entwicklung innovativer Technologien zum schonenden Operieren. Ergebnisse aus unterschiedlichen Technikfeldern, wie z.B. Optik, Bildgebung, Robotik, Mikrosystemtechnik und Informationstechnologie werden mit klinischen Entwicklungslinien so kombiniert, dass minimal-invasive, anwenderfreundliche und integrative OP-Systeme entstehen. Ziel ist es, die  Patientenbelastung während und nach der Operation zu reduzieren und die diagnostische und therapeutische Präzision zu steigern. Medizintechnische Innovationen stellen in der Chirurgie insbesondere dann Faktoren für langfristige Kosten- und Wettbewerbsvorteile dar, wenn es gelingt, durch den schonenden Eingriff die Liege- und Rehabilitationszeiten zu verkürzen.

IT-Vernetzung im OP der Zukunft: Neue Anforderungen an den Chirurgenberuf

Das Handanlegen mit Skalpell und Zange und das persönliche Augenmaß des Chirurgen werden in Zukunft mit minimal-invasiven Instrumenten und computerbetriebenen Navigationsverfahren unterstützt. Sensorbasierte Planungs- und Navigationssysteme sowie interventionelle Bildgebungsverfahren gehören ebenso zu den unter der Leitvision SOMIT entwickelten Verfahren wie  hochpräzise Laserverfahren, mit denen Operationen in Zukunft sehr viel schneller, sicherer und schonender durchgeführt werden können.

„Hinter all diesen Verfahren verbirgt sich ein hochkomplexes technisches Know-how, das die Mediziner vor große Herausforderungen stellt und einen engen Austausch zwischen Entwicklern und Anwendern erfordert, um einen störungsfreien Betrieb zu gewährleisten“, sagt Prof. Dr. Fritz U. Niethard, Sprecher des Verbunds orthoMIT. Prof. Niethard, der auch Generalsekretär der Deutschen Gesellschaft für Orthopädie und Orthopädische Chirurgie (DGOOC) ist, betont: „Der Arzt muss künftig auch in der Lage sein, hochtechnologische Verfahren computerunterstützt  zu bedienen. Der unmittelbare Blick ins Innere des Patienten verlagert sich auf die Bilddaten der Monitore, anhand derer der Chirurg die damit vernetzten minimal-invasiven Instrumente navigiert.“


Die neuen Anforderungen an den Chirurgen werden auch im SOMIT-Querschnittsprojekt „Aus- und Weiterbildung“ berücksichtigt. In diesem interdisziplinären Teilprojekt werden Trainings- und Simulationssysteme entwickelt. So z.B. der Laparoskopie-Simulator: Durch ihn können realistische Simulationen großräumiger Resektionen durchgeführt werden – mit haptischer Rückkopplung an den Bediener. Ein anderes Beispiel ist der LiverSurgeryTrainer, an dem operative Interventionen patientenindividuell bereits  am Vortag der OP unter verschiedenen Gesichtspunkten durchgespielt und geplant werden können.

„Medical IT Risk Manger“ im OP von morgen

Das Risikomanagement für IT-Netzwerke wird zu einer wichtigen Kernkompetenz für Krankenhäuser, um den störungsfreien Betrieb komplexer IT-Systeme und damit die Patientensicherheit zu gewährleisten. Daten müssen schnell und sicher an Arzt und Technik übertragen werden. Dies lässt sich nur in integrierten Gesamtsystemen gewährleisten. „Dazu müssen Sicherungsmechanismen entwickelt werden, die zwischen den Herstellern unterschiedlicher Komponenten und zwischen Herstellern und Betreibern wirksam sind“, so Prof. Dr. Thomas Schmitz-Rode, Vorsitzender der Gesellschaft für Biomedizinische Technik (DGBMT) im VDE.

 

Im Rahmen der Leitvision SOMIT wurde im VDE eine Studie entwickelt, die zeigt, wie der Risikomanagementprozess für IT-Netzwerke im OP anhand der internationalen Norm IEC 80001-1 zweckmäßigerweise durchzuführen ist. Hier werden Sicherungsmechanismen entwickelt und validiert, um mögliche Risiken einer „Plug & Play“-Integration zu vermeiden bzw. zu minimieren. Empfehlung: Jede Klinik sollte einen „Medical IT Risk Manager“ benennen, der den Risikomanagementprozess IT-vernetzter Systeme im Krankenhaus managet und überwacht.

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Der Innovationsökonom Prof. Dr. Knut Blind von der TU Berlin sieht in einer frühzeitigen  Standardisierung einen wichtigen Erfolgsfaktor im Innovationsprozess, da so die Funktionsfähigkeit des integrierten Gesamtsystems rechtzeitig gewährleistet wird und die Hersteller ihre Produkte schneller und unkomplizierter vermarkten können. „Die SOMIT-Verbünde leisten auf dem Gebiet der Standardisierung eine sehr vorbildliche Arbeit“, zeigt sich Prof. Dr. Blind begeistert.

Interaktion zwischen Entwicklern und Anwendern an einem Ort

Die räumliche Nähe und die inhaltliche Fokussierung auf ein spezifisches Anwendungsfeld gelten als wesentliche Erfolgsfaktoren bei der Forschungs- und Entwicklungsarbeit der SOMIT-Verbünde. „Fehlende Interaktionen zwischen Entwicklern und Endanwendern würden zu einer unnötigen Verzögerung im Innovationsprozess führen, was die ohnehin schon enormen Entwicklungskosten noch weiter ansteigen lassen würde“, so Dr. Raimund Mildner. Im Transfer-OP in Lübeck erfolgt daher eine Zusammenführung aller am FUSION-Verbund beteiligten Gruppen an einem Ort. Hier werden wertvolle Synergieeffekte genutzt, um die Produktentwicklung bis in die klinische Anwendung maßgeblich zu beschleunigen und qualitativ zu verbessern. Der Transfer-OP bietet darüber hinaus eine reale OP-Umgebung, um die Produkte und integrierten Systeme auf ihre Gebrauchtauglichkeit hin zu überprüfen und das gesamte Klinikpersonal bei der Bedienung neuster medizintechnischer Innovationen zu schulen. Eine integrierte Plattform für das schonende Operieren in der Orthopädie und Traumatologie wird derzeit auch im orthoMIT-Projekt entwickelt. Über die integrierte Arbeitsstation werden die unterschiedlichen Applikationen und Komponenten des orthopädischen Operationssaals vereinigt, sodass der Arbeitsablauf des Chirurgen möglichst effizient und flexibel gestaltet werden kann. Die orthoMIT Plattform soll in einem Demonstrator-Operationssaal im Universitätsklinikum Aachen in Betrieb gehen.

Idealtypisch zeigt sich die enge Vernetzung zwischen Wissenschaft und Wirtschaft bereits in langer Tradition am Optikstandort Jena, wo auch der SOMIT-Verbund CoHS angesiedelt ist. „Die Industrie profitiert hier von der Zusammenarbeit mit namhaften Forschungsinstituten und dem qualifizierten Nachwuchs, der an den Hochschulen ausgebildet wird. Die  Forschungseinrichtungen wiederum finden in den international agierenden Unternehmen und den zahlreichen hochspezialisierten kleinen und mittelständischen Unternehmen starke Partner vor Ort, um ihre Ergebnisse in innovative Produkte zu überführen“, weiß Dr. Manfred Dick, der selbst in Jena studiert hat und heute als Leiter Advanced Development bei der Carl Zeiss Meditec AG in Jena sowie als Sprecher des SOMIT-Verbunds CoHS tätig ist. Gemeinsam mit den Partnern im CoHS-Projekt arbeitet die Carl Zeiss Meditec AG an einem integrierten Behandlungsraum, der minimal-invasive Laseroperationen am Auge mit höchster Präzision ermöglichen soll.

 

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