Foto: PhotoCase.deMehr als 100 Millionen EU-Bürger bauen auf alternative Medizin, sei es nun Akupunktur, Homöopathie oder anthroposophische Heilmethoden. Und die Tendenz ist stark steigend. Bis zu zehn Prozent betragen die jährlichen Wachstumsraten der Branche, so die Schätzung von Max Daege, [...]

[...] Präsident von ECHAMP (European Coalition on Homeopathic and Anthroposophic Medicinal Products).

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Rückendeckung erhält die Komplementärmedizin nicht nur von der Konsumentenseite, sondern auch von der World Health Organization (WHO): Angesichts der steigenden Nachfrage sind die WHO-Mitgliedstaaten aufgefordert worden, Richtlinien zu erlassen, um die Vorteile alternativer Heilungsmethoden nutzen zu können. „In Europa ist aber seit Jahren nichts passiert“, kritisierte Ton Nicolai, Präsident des Europäischen Homöopathie-Komitees (ECH).

Die Konsumenten lassen sich auch durch kritische Studien nicht beirren – und zahlreiche Experten aus dem Bereich der klassischen Medizin geben ihnen dabei durchaus Recht, erklärte Stefan N. Willich, Leiter des Berliner Instituts für Sozialmedizin, Epidemiologie und Gesundheitsökonomie an der renommierten Berliner Charité, beim European Health Forum Gastein, bei dem ein hochrangig besetzter Workshop zum Thema Komplementärmedizin abgehalten wurde.

Willich hat im Auftrag der deutschen Techniker-Krankenkasse sowie der Innungskrankenkasse Hamburg die Wirksamkeit von Akupunktur- und homöopathischen Zusatzbehandlungen bei Patienten mit chronischen Beschwerden getestet. Das Ergebnis überraschte in seiner Eindeutigkeit, denn „die überwiegende Mehrzahl der Patienten, die eine mit Homöopathie oder Akupunktur kombinierte Behandlung erhielten, wiesen bessere Therapieerfolge auf“, berichtete Willich.
 
Willich betonte die Notwendigkeit weiterer, größer angelegter Studien, um neue Erkenntnisse zu erlangen, in welchen Bereichen Komplementärmedizin am wirksamsten eingesetzt werden kann oder ob komplementäre Therapien langfristig das Gesundheitssystem durch nachhaltige Behandlungserfolge entlasten können.

Keineswegs dürfe man, so Willich, die Wichtigkeit der Komplementärmedizin im Rahmen eines modernen, effizienten Gesundheitssystem unterschätzen: „Patienten sollten den angewandten Behandlungsmethoden positiv gegenüberstehen, wenn man optimale Heilerfolge erzielen will. Und in dieser Hinsicht ist die Komplementärmedizin bei einem großen Teil der Bevölkerung wesentlicher Bestandteil der medizinischen Versorgung geworden.“

Ein Hemmschuh für die weitere Entwicklung ist allerdings die geringe Forschungsleistung im alternativmedizinischen Bereich. „Homöopathische Arzneien sind relativ billig, die Finanzkraft der homöopathische Industrie ist sehr begrenzt“, stellte Daege fest. Daher seien umfangreichen Forschungen durch die in dem Bereich tätigen Unternehmen selbst kaum finanzierbar. „Es wäre unbedingt notwendig, dass der Komplementärmedizin auch im 7. EU-Forschungsrahmenprogramm entsprechender Platz eingeräumt wird.“

An die Entscheidungsträger in Brüssel haben die Hersteller komplementärer Arzneimittel nicht nur finanzielle, sondern auch legislative Wünsche, was die Regelung für die Zulassung homöopathischer Arzneien betrifft: „Nicht alle homöopathischen Medikamente sind überall in der EU verfügbar. Bisher hapert es am politischen Willen, generelle Zulassungsdirektiven in den einzelnen Mitgliedsstaaten gesetzlich durchzusetzen“, so Daege. Dies solle die Europäische Kommission für Gesundheits- und Verbraucherschutz jedoch mit Nachdruck einfordern. Bereits 1997 hatte das Europäische Parlament eine diesbezügliche Aufforderung an die EU-Gesundheitskommission gerichtet. „Wann wird die Kommission endlich auf den Auftrag von Millionen von EU-Bürgern reagieren?“, kritisierte Nicolai.

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