Die Zeiten in denen der Arzt seine Entscheidungen über den Kopf des Patienten hinweg traf, sollten der Vergangenheit angehören. Anstelle dessen stehen die letzten drei Jahrzehnte unter dem Eindruck einer partnerschaftlichen Zusammenarbeit, in welcher Entscheidungen und Vorgehensweisen gemeinsam, dialogisch gefunden und verantwortet werden.

Bei genauerer Beobachtung indes offenbart sich, dass auch diese "dyadische Beziehung" stärkeren Relativierungen ausgesetzt ist, als dies zu vermuten wäre. Nur im Trialog, der Erweiterung des Dialoges um die Perspektive des Angehörigen gelingt es, diesen bedeutsamen Akteur des Behandlungsprozesses systematisch zu berücksichtigen ist. Hierüber sprach gesundheitswirtschaft.info mit Professor Dr. Dr. Klaus Dörner in einem Interview.

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Interview mit Prof. Dr. Dr. Klaus Dörner

Zur Person: Klaus Dörner kann als einer der einflussreichsten Vertreter deutscher Sozialpsychiatrie bezeichnet werden. Sein Lebenswerk ist durch dessen beständige Beiträge hin zu einer menschlichen, offenen und damit gesellschaftlich diskutierten Versorgung (Buchtitel: Irren ist menschlich) ausgezeichnet.

Verschiedene Versorgungsprojekte in Gütersloh -- seiner Hauptwirkstätte -- bildeten Grundlage der deutschen Sozialpsychiatrie nach dem II Weltkrieg. Über die Psychiatrie hinaus, wurde der Buchtitel: „Der gute Arzt“ bekannt. Dörner ist einer der Mitbegründer der „trialogischen Medizin“. Der inzwischen emeritierte Medizinprofessor lebt in Hamburg.

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Wolfgang George: Wieso glauben Sie, dass der Trialog eine Chance in unserem Gesundheitswesen besitzen sollte?

Klaus Dörner: Weil die trialogische Wahrnehmung die Sicht der bisher gewählten Dyade erweitert. Jede Situation in der Menschen Hilfe bekommen betrifft tatsächlich 3 Gruppen, den Patienten, die beruflichen Helfer und die Angehörigen des Patienten. Die in der Versorgung so häufig favorisierte Dyade -- die natürlich ihre Berechtigung hat -- engt die Wahrnehmung ein. Bei der trialogische Sicht indessen, die der sozialen Wirklichkeit viel eher entspricht, werden die Fehlerwahrscheinlichkeiten der Behandlung geringer.

Wolfgang George: Über welche Mechanismen wirkt der Trialog?

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Klaus Dörner: Neben dem bisher Gesagtem, ist die trialogische Arbeit der angetretene Versuch zu mehr Gerechtigkeit in der Medizin. Der Trialog ist ein bedeutsamer Schritt zur Demokratisierung und nochmals: er verringert die Fehlerwahrscheinlichkeit der therapeutischen Arbeit. Dies gilt auch für die somatische Medizin.

Wolfgang George: Die persönliche Haltung des beruflichen Helfers besitzt demnach eine besondere Bedeutung?

Klaus Dörner: Ja, insofern, als dass die Helfer -- ob sie wollen oder nicht – gut daran tun davon auszugehen, dass sie Fehler machen werden. Fehler, die nie verhinderbar sind und deren Auftrittswahrscheinlichkeit durch die Praxis des Trialogs entscheidend reduziert werden. Darüber hinaus ist es für den „klugen Helfer“ verpflichtend nicht aus einer Position der vermeintlichen Stärke den Weg zum Patienten aufzunehmen. Am heute so gerne verwendeten Begriff der „Dienstleistung“, ist einfach zu erklären was ich meine: Das Wort beinhaltet den Begriff des „dienens“ und den des „leistens“. Ich kann allen Helfern nur empfehlen aus der Haltung eines Dienenden die eigene Leistungsfähigkeit den Betroffenen entgegenzubringen. Diese dienende Annäherung lässt die notwendige Angstfreiheit auf Seiten des Patienten entstehen. Eine der notwendigen Bedingungen.

Wolfgang George: Können Angehörige im Trialog nicht auch überfordert werden und wie kann dies verhindert werden?

Klaus Dörner; Der Angehörige darf nicht als ein Helfershelfer missbraucht werden, sondern er ist selbstverständlich eine eigene Person, mit eigenen Zielen und Bedürfnissen: Gerade wenn diese von den Helfern erkannt und ernst genommen werden, kann er seinerseits den Patienten und die Behandlung bestmöglich fördern und unterstützen.

Wolfgang George: In welchen Arbeitssituationen -- etwa im Krankenhaus -- könnte die trialogische Arbeit praktisch eingeführt werden?

Klaus Dörner: Überall dort, wo chronisch und schwerkranke Patienten betreut und behandelt werden, besitzt die Trialogie größte Relevanz. Die Angehörigen sollten in alle wichtigeren Gespräche und immer wieder auch in die Visiten einbezogen werden, so dass sich die drei maßgeblich betroffenen Parteien austauschen und korrigieren können. Dieses Verhalten ist die grundsätzliche Anforderung jeder trialogischen Praxis. Die Bedeutung der ersten Gespräche ist nicht hoch genug einzuschätzen.

Wolfgang George: ....wie in der Arztpraxis?

Klaus Dörner: Gerade auch dort sollte sich weit stärker im trialogischen Sinn engagiert werden, denn die niedergelassenen Ärzte betreuen immer mehr ältere und mehrfacherkrankte Menschen. Die nicht Berücksichtigung der Lebensrealität des Patienten und Angehörigen zu Hause wirkt sich hier besonders problematisch aus. Es sind die Gespräch und Planungen zu Dritt, die auch hier das Mittel der Wahl darstellen.

Wolfgang George: Welche Hauptwiderstände sind es, die als Barrieren verhindern, dass dieses -- offensichtlich doch vernünftige -- Arbeitsprinzip zur Anwendung gebracht wird?

Klaus Dörner: Historisch ganz sicher durch unsere Verständniskultur, dass die Dyade -- die Situation zwischen Arzt und Patient – etwas ganz intimes sei, ein Bild, dass zusätzlich auch noch das Prinzip des Patientenschutzes vitalisiert. Ganz unberechtigt ist diese Einschätzung ja auch nicht. Dennoch, dieser so entstandene Schutzraum entspricht vielfach nicht der Versorgungswirklichkeit der Betroffenen. Hier muss sich untereinander geeinigt werden. Ein weiterer bedeutsamer Widerstand ist in dem Umstand begründet, dass bei uns alles normativ, also von oben nach unten durchgeführt wird. Da besitzt der Angehörige die schwächste Stellung. Zuletzt ist es der institutionelle Kontext, der vielfach die Helfer geradezu zwingt der Gesamtwirklichkeit des Patienten nicht gerecht zu werden. Es wird institutionell alles dafür getan, dass der Arzt immer recht hat. Trialogisches Denken und Handeln ist offensichtlich institutionsfeindlich. Alle Helfer, welche trialogisch arbeiten sollen wissen, dass sie für dieses Arbeitsverständnis in unserer Gesundheitsorganisation zusätzliche Energie investieren müssen.

 

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